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I. Kapitel. Erkenntnistheorie: Adornos Verhältnis zu Kant

  > 1. Kants Vernunftkritik und Hegels Metakritik an Kant
  > 2. Adornos Kritik des Instrumentalismus
  > 3. Der "emphatische" Wahrheitsbegriff
  > 4. Metakritik der Erkenntnistheorie
  > 5. Zusammenfassung
  > Anmerkungen: Erkenntnistheorie


Trotz aller Beteuerungen, daß der Erkenntnistheorie selbst durch ihre "Reflexion auf das Bewußtsein und seine Formen" "ein Moment der Täuschung innewohnt" 1) ist Adorno Erkenntnistheoretiker, wenn er die Frage stellt, "ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme" 2). Noch vor aller Antwort auf diese Frage setzt sich Adorno mit ihr objektiv in die Nachfolge Kants und damit allen Einwänden aus, die gegen die Kantische 'Kritik der reinen Vernunft' vorgebracht wurden. Mit der Antwort, die Adorno auf die erkenntnistheoretische Frage gibt, setzt er sich auch subjektiv in die Tradition Kants, dessen "Block" zwischen dem erkennenden Subjekt und dem zu erkennenden Objekt "ein Wahrheitsmoment" 3) habe. Als Kritiker der Objektivität des Denkens ist Kant für Adorno eine Autorität. Eine kurze Darstellung der Intention Kants sowie der Hegelschen Kritik daran, wird die Argumente bieten, die gegen das erkenntnistheoretische Denken insgesamt vorzubringen und insoweit auch für das Verständnis Adornos von Bedeutung sind.

Gegen die in diesem Sinne behauptete Gemeinsamkeit von Adorno mit Kant trifft der Einwand nicht, daß Adorno selbst die Erkenntnistheorie einer "Metakritik" unterzogen habe, sich ihrer "Täuschung" und Aporien bewußt sei, ja selbst die Hegelsche Kantkritik rezipiert und übernommen habe. So sehr diese Hinweise stimmen mögen, zeigt doch allein der Umstand, daß Adorno sich von seiner Kenntnisnahme der Kantkritik nicht dazu bewegen ließ, auf die Frage nach der Objektivität des Denkens zu verzichten, sondern daran festhielt, daß "der Philosophie ihr Verhältnis zum Heterogenen geradezu thematisch ist" 4) eine eigentümliche, dem Hegelschen Argument zuwiderlaufende Auffassung von Kantkritik.

Mehr noch - in Teil 2 und Teil 3 dieses Kapitels wird versucht zu zeigen, daß Adorno den erkenntnistheoretischen Zweifel gegenüber Kant in einem entscheidenden Sinne radikalisiert und in seiner Metakritik die Gewißheit des Denkens angreift, die es bei Kant immerhin noch gibt. Es soll nachgewiesen werden, daß Adorno keinen neuen Beitrag zur Lösung des von der Erkenntnistheorie besprochenen Problems leisten will, sondern sein Ziel darin sieht, das Bewußtsein von der Aporie dieses Denkens zu befördern und um der Aporie willen an ihm festzuhalten.

1. Kants Vernunftkritik und Hegels Metakritik an Kant

In der 'Vorrede zur zweiten Auflage' der 'Kritik der reinen Vernunft' spricht Kant explizit den Grund seiner Untersuchung aus: Die Metaphysik genügt dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit nicht. Kant ist soweit Aufklärer und Parteigänger der Wissenschaft, daß er um ihretwillen ein negatives Urteil über die Metaphysik fällt und nach Kriterien sucht, denen das Denken genügen muß, um Allgemeinheit und Notwendigkeit beanspruchen zu können:

"Der Metaphysik, ... ist das Schicksal bisher noch so günstig nicht gewesen, daß sie den sicheren Gang einer Wissenschaft einzuschlagen vermocht hätte; ... Denn in ihr gerät die Vernunft kontinuierlich ins Stocken, selbst wenn sie diejenigen Gesetze, welche die gemeinste Erfahrung bestätigt, (wie sie sich anmaßt) a priori einsehen will. In ihr muß man unzählige Male den Weg zurück tun, weil man findet, daß er dahin nicht führt, wo man hin will, und was die Einhelligkeit ihrer Anhänger in Behauptungen betrifft, so ist sie noch so weit davon entfernt, daß sie vielmehr ein Kampfplatz ist, der ganz eigentlich dazu bestimmt zu sein scheint, seine Kräfte im Spielgefechte zu üben, auf dem noch niemals irgendein Fechter sich auch den kleinsten Platz hat erkämpfen und auf seinen Sieg einen dauerhaften Besitz gründen können. Es ist also kein Zweifel, daß ihr Verfahren ein bloßes Herumtappen und, was das Schlimmste ist, unter bloßen Begriffen gewesen sei." 5)

Auf den in der Metaphysik vorliegenden Verstoß gegen das wissenschaftliche Denken wird Kant einerseits durch das endlose Suchen, das nie zum Ziel führt, verwiesen, andererseits durch den in dieser Disziplin herrschenden Pluralismus. Allerdings gelten ihm diese beiden Phänomene nicht als Mangel an Wissenschaftlichkeit selber, sondern sie indizieren lediglich den Mangel an objektivem, sicheren Wissen. 6) Kant sucht, um "Metaphysik als Wissenschaft" möglich zu machen, nun das Kriterium der Objektivität des Denkens. Allerdings kritisiert er dazu die Gedanken der Metaphysiker nicht immanent, wie Hegel in seiner Kritik der Gottesbeweise 7), sondern wählt gleich als Einstieg den Vergleich mit den erfolgreichen Naturwissenschaften und der Mathematik. Kein Wunder, daß Kant im Vergleich nun nicht mehr entdeckt, daß einmal immanent stimmig gedacht wird, das andere Mal widersprüchlich. Auf den Inhalt der Gedanken läßt er sich gar nicht ein und entdeckt nur, daß sich Naturwissenschaften und Mathematik auf andere Gegenstände richten als die Metaphysik. Aus dem Unterschied der Objekte des Denkens wird nun die Differenz von zuverlässigem Denken und haltlosem Spekulieren erschlossen. Kant meint, daß es seiner Prüfung des Denkens,

"... wenn sie zuvor ihr eigen Vermögen in Ansehung der Gegenstände, die ihr in der Erfahrung vorkommen mögen, vollständig hat kennenlernen, leicht werden muß, den Umfang und die Grenzen ihres über alle Erfahrungsgrenzen versuchten Gebrauchs vollständig und sicher zu bestimmen. " 8)

Diese Formulierung des Programms der Vernunftkritik zeichnet auch schon ihre Durchführung vor: Kant formuliert über den Vergleich mit den Naturwissenschaften das richtige und antidogmatische Prinzip der Aufklärung, daß sich nur Wissenschaft nennen könne, was von der Erfahrung ausgeht. Der Gebrauch des Erkenntnisvermögens in bezug auf Gegenstände der Erfahrung steht außer Zweifel, und vor ihm hat sich der überschießende Gebrauch des Erkenntnisvermögens zu verantworten. Wird aber der Bezug, i.e. die Übereinstimmung mit Erfahrung das Kriterium der Objektivität des Denkens, so bedeutet das nicht nur, daß damit die Frage, ob Metaphysik als Wissenschaft möglich sei, negativ beantwortet ist, sondern auch, daß die Leistungen der erfolgreichen Wissenschaften einer neuen Interpretation bedürfen, da diese ja auch Gesetze formulieren, Allgemeinheit und Notwendigkeit ihrer Objekte wissen, die in der Erfahrung keineswegs gegeben sind. 9) Der Unterscheidung von empirischem und transzendenten Vernunftgebrauch sowie der neuen Interpretation der Wissenschaft einerseits und einer neuen Statuszuweisung der alten unkritisierten metaphysischen Ideen andererseits dient die 'Kritik der reinen Vernunft'. Denn seine Ankündigung -

"... und es ist schon ein Verdienst um die Vernunft, diesen Weg wo möglich ausfindig zu machen, sollte auch manches als vergeblich aufgegeben werden müssen, was in dem ohne Überlegung vorgenommenen Zweck enthalten war." 10) -

die Metaphysik aufzugeben, falls sie als Wissenschaft nicht möglich sein sollte, wollte Kant nicht wahrmachen.

Hegels Kritik an den erkenntnistheoretischen Grundzügen der Kantischen Philosophie soll hier nur in ihrem allgemeinsten Prinzip referiert werden. Allerdings nämlich verdankt sich jede rationale Philosophie seither diesen grundsätzlichen Einwänden Hegels gegen Kant; mit ihnen hat Hegel Maßstäbe gesetzt für alle Philosophie, die nach seinem Diktum Wissenschaft zu sein habe. Er kritisiert immanent. Daß Kant eben dies unterlassen hat, ist der erste Einwand Hegels gegen die Vernunftkritik, die die Wahrheit von Gedanken zu prüfen beabsichtigte und sich auf diese Gedanken dann gar nicht einließ:

"Die kritische Philosophie unterwirft nun den Wert der in der Metaphysik - übrigens auch in den anderen Wissenschaften und im gewöhnlichen Vorstellen - gebrauchten Verstandesbegriffe zunächst der Untersuchung. Diese Kritik geht jedoch nicht auf den Inhalt und das bestimmte Verhältnis dieser Denkbestimmungen selbst ein, ..." 11)

Dadurch nun, daß nicht die bestimmten Begriffe der Metaphysik kritisiert wurden, war eine Kritik von Fehlern vom Standpunkt des Denkens aus nicht möglich; statt dessen bezog sich die kritische Betrachtung auf das Verhältnis des Denkens zur Wirklichkeit überhaupt.

"Die kritische Philosophie machte es sich dagegen zur Aufgabe, zu untersuchen, inwieweit überhaupt die Formen des Denkens fähig seien, zur Erkenntnis der Wahrheit zu verhelfen." 12)

Allein die Thematisierung dieses Verhältnisse des Denkens zur Wirklichkeit überhaupt ist nun aber schon ein Widerspruch in sich. 13) Denn den archimedischen Punkt jenseits des eigenen Denkens, von dem aus man das Denken, sein Objekt und ihr Verhältnis begutachten könnte, gibt es nicht. Das Denken kann von einer prinzipiellen Inkongruenz seiner Formen und der begriffenen Objekte nichts wissen, wenn es diese Inkongruenz denn gäbe; umgekehrt verhält es sich: erst ein Denken, das sich von sich unterscheidet, außer sich tritt und von da aus seinen Inhalt als bloß den seinen ansieht, schafft die Differenz zwischen dem Gedachten und dem Denken. 14) Hegel weist darauf hin, daß als mangelhaft nur gewußt werden kann, worüber das Denken hinaus ist, daß also das Denken nicht einen prinzipiellen Mangel von sich wissen kann:

"Es ist darum die größte Inkonsequenz, einerseits zuzugeben, daß der Verstand nur Erscheinungen erkennt, und andererseits dies Erkennen a1s etwas Abso1utes zu behaupten, indem man sagt: das Erkennen könne nicht weiter, dies sei die natürliche, absolute Schranke des menschlichen Wissens. Die natürlichen Dinge sind beschränkt, und nur natürliche Dinge sind sie, insofern sie nichts von ihrer allgemeine Schranke wissen, insofern ihre Bestimmtheit nur eine Schranke für uns ist, nicht für sie . Als Schranke, Mangel wird etwas nur gewußt, ja empfunden, indem man zugleich darüber hinaus ist." 15)

Der Widerspruch der erkenntnistheoretischen Überlegung zerlegt sich hier nach zwei Seiten. Einerseits ist die Erkenntnis des Erkenntnisvermögens selber schon Erkenntnis, obwohl doch ihre Sicherheit erst durch die ausstehende Prüfung gestiftet werden soll. Indem Kant sich unbefangen an die Untersuchung des Erkenntnisvermögens macht, widerlegt er den Inhalt eben dieser Untersuchung, daß die Tauglichkeit des Erkenntnisvermögens vor der Erkenntnis ausgemacht sein müsse.

"Man soll das Erkenntnisvermögen erkennen, ehe man erkennt; es ist dasselbe wie mit dem Schwimmenwollen, ehe man ins Wasser geht. Die Untersuchung des Erkenntnisvermögens ist selbst erkennend, kann nicht zu dem kommen, zu was es kommen will, weil es selbst dies ist - nicht zu sich kommen, weil es bei sich ist." 16)

Andererseits liegt im obigen Widerspruch auch die Behauptung einer prinzipiellen Differenz von Erkenntnis und Erkenntnis des Erkenntnisvermögens 17). Wenn diese die Vorbedingung jener ist, dann ist sie selbst eben noch nicht Erkenntnis.

"Vor der Wissenschaft aber schon über das Erkennen ins reine kommen wollen, heißt verlangen, daß es außerhalb derselben erörtert werden sollte; außerha1b der Wissenschaft läßt sich dies wenigstens nicht auf wissenschaftliche Weise ... bewerkstelligen." 18)

Nach dieser Seite hin wird ernst gemacht mit dem Widerspruch, daß das Denken einen Standpunkt außer sich einnehmen muß, um eine irgendwie geartete Beschränktheit seiner selbst behaupten zu können. Der archimedische Punkt außerhalb der Wissenschaft, dem die Wissenschaft und ihre Gedanken unterworfen werden sollen, obwohl doch das Bewußtsein von der Welt kein anderes Wissen hat als das, was Inhalt des Bewußtseins ist, ist nun zu bestimmen. Kant will das Erkenntnisvermögen bestimmen - und zwar vor aller Erfahrung und aller Wissenschaft als Konstitutionsbedingung derselben. Freilich kann Kant gar nicht so apriorisch sein, wie er meint, es sein zu können und zu müssen. Denn man mag gerne meinen, man habe etwas Prinzipielleres in der Hand, wenn man ein Vermögen, eine Fähigkeit bestimmt, als ihre bloß faktische Äußerung; tatsächlich wird auch dem Erkenntnistheoretiker vom Vermögen der Erkenntnis nur Kunde durch die Äußerung desselben, und mehr als die Äußerung, deren Bestimmungen er dann als die Bedingung ihrer eigenen Möglichkeit fixiert, kennt er nie. 19)

Eine transzendentale Bestimmung der Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis kann also nur die Darstellung einer theoretischen Tätigkeit nach ihren abstrakten Momenten sein, die Kant eben für die adäquate Äußerung eines vorausgesetzten Vermögens hält. Als solche Tätigkeit gelten ihm die Naturwissenschaften und die Mathematik, so daß er die Gedanken, die wegen der Beschaffenheit der Natur in den entsprechenden Wissenschaften vorkommen, zu den Formen des Denkens schlechthin erklärt. Tatsächlich ist die Kantische Vernunftkritik also ein "Aufzeigen der Metaphysik, der allgemeinen Begriffe von der Natur; dies ist sehr eingeschränkt, auf Materie und Bewegung. Es ist der Versuch zu denken, d. h. die Gedankenbestimmungen aufzuzeigen, deren Produkt solche Vorstellungen wie Materie seien." 20) Mit diesem Dogmatismus der Kategorien der Naturwissenschaft hat Kant nicht nur die Gegenstände innerer Zweckmäßigkeit aus dem Bereich der objektiven Erkenntnis ausgeschlossen, er hat durch die Besprechung der Erkenntnis als der Äußerung einer subjektiven Kraft, die sich in bezug auf die Wahrnehmung betätige, auch den Kategorien der Naturwissenschaft ihre Objektivität abgesprochen. Qualität der Erfahrungswissenschaft ist eben die Erfahrung, und alles, was in der Wissenschaft an Denken angetroffen wird, das in der Erfahrung noch nicht gegeben ist, ist damit "subjektive Zutat".

"Kant gibt nun sogleich von Haus aus zu, daß in der Wahrnehmung keine Notwendigkeit und Allgemeinheit, nämlich in den äußeren Dingen selbst, daß aber zugleich Notwendigkeit und Allgemeinheit doch vorhanden sind in den Beispielen der Mathematik und Naturwissenschaft. Die Frage ist nun: Wo sind sie zu finden? Daß wir die Allgemeinheit und Notwendigkeit, als welches erst das Objektive ausmache, verlangen, dieses Faktum läßt Kant stehen. Aber, sagt er dann gegen Hume, weil nun Notwendigkeit und Allgemeinheit nicht in den äußeren Dingen ist, so müssen sie a priori, d. h. in der Vernunft selbst liegen . . " 21)

"... so daß jene Allgemeinheit und Notwendigkeit doch zugleich nur eine subjektive Bedingung des Erkennens ist, daß die Vernunft mit ihrer Allgemeinheit und Notwendigkeit doch nicht zur Erkenntnis der Wahrheit kommt." 21)

So zerlegt Kant jeden Gedanken "nach dem Gegensatz von Subjektivität und Objektivität überhaupt" 23) nach objektivem Inhalt und subjektiver Gedankenform, nach einzelnem Sinnesdatum und allgemeinem Gesetz, um alles Denken, das über die Erfahrung hinausgeht, um sie zu erklären, zu bloß subjektivem, wenn auch allen Menschen gemeinsamem Organisieren der uns eben nur durch unsere Sinne und Kategorien gegebenen Erscheinungen zu deklarieren. So ist die Skepsis in die Leistungsfähigkeit des Denkens in der Tat der Dogmatismus der Gedankenformen der Naturwissenschaft, genauer der Erfahrung. Die Kritik Kants kritisiert die falschen Argumente, mit denen die alte Metaphysik über die Erfahrung hinausging, gar nicht, sondern hält sie fest - unter neuer, als bloß subjektiv festgelegter Bestimmung ihrer Geltung.

"Die Kantische Philosophie" verwirft das Richtige, auf das sie stößt, nämlich die Untauglichkeit der Gedankenformen der Naturwissenschaft zur Erkenntnis geistiger Gegenstände, "wieder als das Wahre, macht es zu einem bloß subjektiven, weil sie einmal das endliche Erkennen als den fixen letzten Standpunkt angenommen hat. Diese Philosophie hat der Verstandesmetaphysik als einem objektiven Dogmatismus ein Ende gemacht, in der Tat aber dieselbe nur in einen subjektiven Dogmatismus, d. i. in ein Bewußtsein, in welchem dieselben endlich Verstandesbestimmungen bestehen, übersetzt und die Frage nach dem, was an und für sich wahr ist, aufgegeben." 24)

Zu diesem Verzicht auf die Wahrheit kommt Kant im Resultat seiner Überlegung, in der er als Beurteiler der Erkenntnis sich von sich als erkennenden Subjekt unterscheidet. Damit bestimmt er das, was später "instrumentelles Denken" genannt worden ist. Indem der Denkende sein Denken von sich unterscheidet und aus ihm heraustritt, um seine Objektivität zu beurteilen, bestimmt er sich als ein Jenseits gegenüber dem Inhalt seines Bewußtseins: Damit ist das Subjekt überhaupt nicht mehr Subjekt der von ihm begriffenen Weit, sondern ein Abstraktum, das leere "Ich der reinen Apperzeption". Zum anderen wird damit das gewußte Objekt unterschieden von dem, was man über es weiß: Wie das Subjekt der Erkenntnis ein leeres und jenseitiges wird, so auch das Objekt, das - unterschieden vom Wissen über es - zum unerreichbaren "Ding an sich" verflüchtigt wird. So wird schließlich und dies ist die instrumentelle Vorstellung von Wissenschaft - die Erkenntnis, die ja nicht mehr das Wissen der Dinge ist, zur bloß äußerlichen Mitte zweier inhaltsloser Extreme, die niemals in Übereinstimmung miteinander gebracht werden können, weil sie weder überhaupt einen noch zu überwindenden Unterschied gegeneinander haben, noch dieser Unterschied, der ja bloß ein gemeinter ist, den Grund abgeben könnte für einen Übergang. Das Denken wird damit als ein Instrument vorgestellt, mit dem man sich die Dinge für das eigene Bedürfnis zurechtbiegt, und das man zwischen sich und das Objekt schiebt, wie den Hammer zwischen das Objekt der Arbeit und die eigenen Gliedmaßen.

"Das Erkennen wird vorgestellt als ein Instrument, die Art und Weise, wie wir uns der Wahrheit bemächtigen wollen; ehe man also an die Wahrheit selbst gehen könne, müsse man zuerst die Natur, die Art des Instruments erkennen. Es ist tätig, man müsse sehen, ob dies fähig sei, das zu leisten, was gefordert wird - dem Gegenstand zu packen; man muß wissen, was es an dem Gegenstand ändert, um diese Änderungen nicht mit dem Bestimmungen des Gegenstands zu verwechseln. -

Es ist, als ob man mit Spießen und Stangen auf die Wahrheit losgehen könnte." 25)

Hegel bemerkt, daß dieser instrumentelle Begriff des Denkens das Selbstbewußtsein eines Denkens ist, das sich die praktische Maxime der Aufklärung zur theoretischen gemacht hat.

"Das letzte Resultat der Kantischen Philosophie ist die Aufklärung; ...

so sahen wir das negative sich bewegende Denken, den absoluten Begriff in Frankreich in seiner Macht und auch in der Aufklärung so nach Deutschland übergehen, daß alles Ding, alle Existenz, alles Tun und Lassen etwas Nützliches sein sollte, d.h. eben das Ansich aufgehoben und nur für ein anderes sein sollte; und dasjenige, für welches alles sein sollte, ist der Mensch, das Selbstbewußtsein, aber als alle Menschen überhaupt. Das Bewußtsein über dies Tun, eine abstrakte Weise, ist die Kantische Philosophie." 26)

Alles als Mittel für den Menschen zu betrachten, es zu nehmen als das, was es für mich ist, und zwar im Bewußtsein des Unterschieds zu dem, was es an sich ist, diese Sichtweise raubt den Dingen der Erkenntnis ihre Identität. Da werden alle Gegenstände mit den Kategorien bestimmt, die für die Natur angemessen sind, weil diese an sich Mittel ist, weil sie keinen Zweck für sich hat. Alles erscheint unter diesen Kategorien als Ursache für anderes oder Folge, die von anderem bewirkt ist; alles als Bedingung, Kraft, Möglichkeit (oder eben das Gegenteil davon) in Bezug auf anderes, eben auf den Nutzen. Was die Dinge an und für sich, d.h. außerhalb des benützenden Bezugs des Menschen auf sie sind, kommt bei dieser Betrachtungsweise gar nicht in das Blickfeld. Dabei wäre dies notwendig - und zwar gerade für den praktischen Nutzen. Wird eine Sache nämlich nicht mehr an und für sich betrachtet, sondern vorweg - durch die instrumentelle Betrachtungsweise - als nützlich genommen, so liegt in diesem Dogmatismus des Nutzens im Denken das gerade Gegenteil von Nutzen in der Praxis. Ob ein Ding oder ein gesellschaftliches Verhältnis nämlich nütz1ich ist, muß unbefangen, also durch die Betrachtung einer Sache nach dem, was sie an sich ist, entschieden werden, sonst wird alles - auch das Ding oder Verhältnis, wo der Mensch nicht der Benutzer ist, sondern der Ausgenützte - als Mittel betrachtet. 27)

Nicht der allgemeine Wahlspruch schon der antiken Aufklärung: 'homo mensura'! ist also falsch - und daher einer Dialektik der Aufklärung unterworfen - sondern sein Mißverständnis. Während er in der Praxis immer richtig verstanden wurde, nämlich in dem Sinne, daß das Maß des menschlichen Tun in seinem Zweck und das Maß der Mittel in der Tauglichkeit für diesen zu liegen habe, wird er in der Wissenschaft zum Fehler, nämlich zum Dogma, sobald in der Theorie das Maß der Praxis zur Richtschnur wird. In der Theorie kann der berühmte 'homo mensura'-Satz nur den richtigen Sinn haben, daß in ihr allein ihre Kriterien Geltung haben sollten; und soweit Kant formell bleibt, vertritt er in diesen Sinn die richtige Seite der Aufklärung:

"Der Standpunkt der Kantischen Philosophie ist, daß das Denken durch sein Räsonnement dahin kam, sich in sich selbst als absolut und konkret, als frei, Letztes zu erfassen. Es faßte sich als solches, daß es in sich Alles in Allem sei. Für seine Autorität ist nichts Äußeres Autorität; alle Autorität kann nur durch das Denken gelten." 28)

2. Adornos Kritik des Instrumentalismus

Adorno kann sich in seiner Kritik des "naiven", des "ungebrochenen Denkens" auf alle Fehler von Kant berufen, freilich nicht auf seine Leistung. Immerhin hatte Kant für Wissenschaftlichkeit in der Behandlung der metaphysischen Gegenstände gesprochen, in einer Zeit, da die Kritik der von Hegel "Verstandesmetaphysik" genannten scholastischen Bestimmungen des Geistigen mittels Kategorien der Natur (wie Ausdehnung, Dauer und Dinglichkeit) anstand. Adorno dagegen findet eine richtige Naturwissenschaft und im Pluralismus der Geisteswissenschaften wenigstens eine richtige Theorie der Gesellschaft vor. Ohne sich aber auf diese einzulassen 29) kritisiert er das Denken schlechthin, wobei er die Naturwissenschaft im Gegensatz zu Kant durchaus in seinen Skeptizismus einschließt.

Er hat historisch nicht die Probleme Kants vor sich, wohl aber dessen Leistung, sowie die Kritik Hegels daran. Adorno leistet sich in bezug darauf - und zu welchem Zweck, wird noch zu zeigen sein - das Paradox, das Selbstbewußtsein von Kants Fehler sein zu wollen und doch an ihm festzuhalten. Er übernimmt von Hegel die Charakterisierung des Instrumentalismus, gibt aber nicht zu, in der Kritik des Instrumentalismus über ihn hinauszusein, sondern behauptet ihn selbst gegen sein eigenes Bewußtsein als Notwendigkeit des Denkens. Während Kant durch seine Bestimmung der Erfahrung als des Rechtsgrundes der Wissenschaft dazu kam, jeden Gedanken "nach dem Gegensatz von Objektivität und Subjektivität überhaupt" auseinanderzunehmen, beginnt Adorno mit dieser Trennung und kommt nie über sie hinaus. Die Argumente, die er dafür vorträgt, reproduzieren den damit verbundenen Widerspruch und gleiten bisweilen ins Skurrile ab. 30)

Die allgemeinste Formulierung für die notwendige "Äußerlichkeit" des Erkennens ist die oft formulierte Behauptung, "daß die Gegenstände in ihrem Begriff nicht aufgehen." 31) Nun leben derartige Sätze von einem Unterschied des Formellen und des Inhaltlichen im Denken; würden diese beiden Seiten nicht unterschieden und in eins gesetzt, dann erschienen derartige Sätze albern. Daß also ein formeller Unterschied zwischen dem Denken und seinem Objekt besteht, daß ein Gedanke nie zum gedachten Objekt wird, sollte keiner Erwähnung bedürfen. Auf der anderen Seite besteht inhaltlich keine Differenz zwischen den Bestimmungen des Objekts, die dieses wirklich charakterisieren, und den Bestimmungen, die sich das Denken vom Objekt erarbeitet. Adorno aber betont ausdrücklich, daß eine Theorie nicht der Gegenstand sei, den sie erklärt.

"Denken ist dem eigenen Sinn nach Denken von etwas. Noch in der logischen Abstraktionsform des Etwas, als eines Gemeinten oder Geurteilten, die von sich aus kein Seiendes zu setzen behauptet, lebt untilgbar dem Denken, das es tilgen möchte, dessen Nichtidentisches, das, was nicht Denken ist, nach. Ratio wird irrational, wo sie das vergißt, ihre Ergebnisse, die Abstraktionen, wider den Sinn von Denken hypostasiert." 32)

Adorno meint hiermit Hegel zu treffen, aber er kritisiert nur sein eigenes Mißverständnis. 33) Denn Hegel war sich erstens völlig sicher, daß die Erkenntnis von der Erfahrung auszugehen habe, also ein vorausgesetztes, gegebenes Ding zu erkennen habe, 34) und verwechselte auch niemals den objektiven Inhalt des Gedankens mit dem Objekt, wenn er betonte, daß erst in der Form des Gedankens, also im Hinausgehen über die Zufälligkeit und Einzelheit der Erfahrung, die wahre Natur der Dinge gewußt werde:

"Die ältere Metaphysik hatte in dieser Rücksicht einen höheren Begriff von dem Denken, als in der neueren Zeit gang und gäb geworden ist. Jene legte nämlich zugrunde, daß das, was durchs Denken von und an den Dingen erkannt werde, das allein an ihnen wahrhaft Wahre sei, somit nicht sie in ihrer Unmittelbarkeit, sondern sie erst in die Form des Denkens erhoben, als Gedachte. Diese Metaphysik hielt somit dafür, daß das Denken und die Bestimmungen des Denkens nicht ein den Gegenständen Fremdes, sondern vielmehr deren Wesen sei, oder daß die Dinge und das Denken derselben an und für sich übereinstimmen, daß das Denken in seinen immanenten Bestimmungen und die wahrhafte Natur der Dinge ein und derselbe Inhalt sei. " 35)

Zweitens beweist auch der von Adorno geltend gemachte Umstand, daß Hegel mit falschen Argumenten die bürgerliche Gesellschaft als die notwendige Organisation der Freiheit ansah, nicht eine "Tilgung des Objekts" durch das Denken desselben, sondern eben ein falsches Argument - das keineswegs Anlaß gibt, dem Denken, das "bewußtlos seinem Bewegungsgesetz folgt" und sich nach Adorno eben dadurch "wider seinen Sinn, das vom Gedanken Gedachte" 36) wendet, Einhalt zu gebieten und, statt das Argument inhaltlich zu kritisieren, ihm vorzuwerfen, es habe keinen Inhalt mehr, weil das Denken sich nunmehr selber zum Gegenstand hat:

"Das Gebot seiner Autarkie verurteilt es zur Leere." "... unterm Gebot ihres (der Philosophie; der Verf.) Sekuritätsprinzips (wird sie) analytisch, potentiell zur Tautologie. " 37)

Allerdings beruht die nachdrückliche Betonung der formellen Differenz von Denken und seinem Objekt, die Adorno bei Hegel verletzt sieht, darauf, daß Adorno überhaupt und damit auch eine inhaltliche Differenz einer Sache und ihres Begriffs behaupten möchte. Hieß es bei ihm zunächst, daß die Sache in ihrem Begriff nicht aufgebe, war da also noch die Erinnerung an die formelle Differenz möglich, so heißt es später:

"Hybris ist, daß Identität sei, daß die Sache an sich ihrem Begriff entspreche." 38)

Hier ist sicherlich nicht mehr an die formelle Differenz von Denken und Gegenstand gedacht, hier spricht Adorno wirklich den Widerspruch aus, einer Sache widerspreche ihr Begriff. Er sagt aber nun nicht, daß der Begriff, der da gegeben worden sei, nicht der der Sache sei, sondern daß er sowohl der der Sache sei, also ihr entspreche, als auch ihr zugleich nicht entspreche. Adorno behauptet, er wisse noch etwas von der Sache, was in ihrem Begriff nicht gewußt wird, könne es aber nicht sagen:

"Darin liegt bereits, daß in der Philosophie selbst, wenn sie nicht bei dieser Paradoxie stehenbleiben will, das eigentlich nicht zu Sagende zu sagen, das Moment des sich fortbewegenden, des weitertreibenden, des sich entfaltenden Widerspruchs angelegt ist; und dieser Widerspruch liegt in ihrem Impuls, in dem, was sie selbst will, nämlich mit dem Begriff das Nichtbegriffliche zu treffen, mit der Sprache das nicht durch Sprache zu Sagende zu sagen " 39)

Ironisch könnte man feststellen, daß Adorno hier den Charakter seines "weitertreibenden Widerspruchs" schön zur Darstellung gebracht hat: Am Ende ist die Leistung der Philosophie exakt die gleiche "Paradoxie", bei der man am Anfang nicht "stehenbleiben" durfte. Der Fortschritt dieser Art, der in der bloßen Wiederholung des Ausgangspunktes besteht, ist freilich nötig angesichts dieses Gedankens. Adorno behauptet, etwas von der Sache zu wissen, was nicht in Begriffe zu fassen sei; 40) er darf es also auch nicht sagen können, denn könnte er es, dann hätte er seinen Ausgangspunkt widerlegt; ließe er aber den Versuch, zu sagen was nicht zusagen ist, dann hätte er im Sinne Hegels seinen Ausgangspunkt - nämlich das Nichtige oder nichts zu sagen - für belanglos erklärt. Adorno muß also eine andere Weise des erkennenden Bezugs zu den Dingen behaupten als die Erkenntnis, auch wenn er selbst sagt:

"Denken vollends hütet eine Quellen, deren Frische es vom Denken befreite." 41)

Er nennt diese Quellen auch - und zwar unter den Namen einer "unreglementierten Erfahrung", einer "kategorialen Anschauung", des "somatischen Moments des Denkens", kurz des "Leidens" - davon unten.

Im Bereich des Denkens aber argumentiert er für die Nichtidentität von Begriff und dem mit ihm Begriffenem wiederum mit dem Selbstbewußtsein des kantischen Fehlers: Er betrachtet das Verhältnis von Subjekt und Objekt der Erkenntnis explizit nicht inhaltlich, sondern formell; d.h. "nach dem Gegensatz von Subjektivität und Objektivität überhaupt". Während sich das Erkenntnissubjekt im Denken das Objekt bekannt macht, sich insofern mit ihm identisch setzt, daß es seine Bestimmungen zum Inhalt der Gedanken macht, sieht Adorno nur die Form des Verhältnisses. In diesem gibt es - denn das ist der Begriff eines Verhältnisses - zwei Extreme, die jedenfalls nicht von vornherein ein und dasselbe sind (sonst wäre ein Verhältnis nämlich sinnlos wie das A = A der modernen Logik). Andererseits gibt es in jedem Verhältnis, was es auch sei, einen Punkt der Identität; denn ohne den Punkt der Berührung gäbe es ebenfalls kein Verhältnis. Adorno hat nun eine Methode entwickelt, die es ihm erlaubt, den Inhalt des Verhältnisses, das das Denken darstellt, völlig zu ignorieren und endlos die Momente der Verschiedenheit gegen die Identität, sowie die Pole gegeneinander und gegen das Verhältnis auszuspielen. Er nennt dieses Verfahren "reziproke Kritik"; eine Bezeichnung, die trifft, weil gegen jede Seite des Verhältnisses der Standpunkt der jeweils anderen eingenommen wird.

"Reziproke Kritik von Allgemeinem und Besonderem, identifizierende Akte, die darüber urteilen, ob der Begriff dem Befaßten Gerechtigkeit widerfahren läßt, und ob das Besondere seinen Begriff auch erfüllt, sind das Medium des Denkens der Nichtidentität von Besonderem und Begriff." 42)

Auch mit dieser Charakterisierung ist Adorno sehr offen: Reziproke Kritik ist das "Medium des Denkens der Nichtidentität", das es sich dank der Wahl des geeigneten Mediums sehr leicht machen kann; es findet immer nur, was es schon wußte: die Nichtidentität von Begriff und Befaßtem, von Besonderem und Allgemeinem, was das erstgenannte Verhältnis nur innerhalb der Denkbestimmungen ausspricht. Vom Standpunkt des Besonderen ist das Allgemeine nichtidentisch, denn es ist allgemein und nicht besonders. Vom Standpunkt des Allgemeinen aus ist das Besondere natürlich nicht allgemein. Adorno würde das Urteil: "Adorno ist ein Philosoph!" nicht daraufhin befragen, ob es stimmt - denn dazu müßte man klären, was einen Philosophen auszeichnet, und dann nachsehen, ob diese Bestimmungen auf Adorno zutreffen -; er gäbe zu bedenken, ob die allgemeine Bestimmung 'Philosoph' nicht zu allgemein für das Individuum Adorno sei, und ob das Individuum nicht zu besonders für die Abstraktion 'Philosoph'. Während das Urteil noch eine richtige oder falsche allgemeine Bestimmung, die gerade die Einzelheit 'Adorno' charakterisiert, behauptet, kritisiert Adorno die Allgemeinheit als Nicht-Besonderheit und vice versa. Er wendet die Pole des Verhältnisses gegen den Inhalt desselben und beharrt damit gegen die Erkenntnisleistung auf ihrem Ausgangspunkt: dem Subjekt, das die Gesetze der Sache noch nicht kennt, sowie dem noch unbegriffenen Objekt.

Diesen Standpunkt der prinzipiellen Äußerlichkeit von allgemeinen Bestimmungen und dem einzelnen Gegenstand der Erkenntnis 34) teilt Adorno wieder mit Kant, von dessen Philosophie Hegel sagt: "Zur Bestimmung der Einzelheit bringt sie es nicht." 44)

Diese ihre Unfähigkeit, das Einzelne in seiner Notwendigkeit und damit nach seiner Allgemeinheit zu bestimmen, hält die Kantische Philosophie als Mangel allen Denkens fest, über den nicht hinauszugehen versucht werden dürfe:

"Ich als Vernunft, Vorstellung, und draußen die Dinge; beide sind schlechthin Andere gegeneinander, und das ist der letzte Standpunkt. Das Tier bleibt nicht auf diesem Standpunkt stehen, bringt praktisch die Einheit hervor." 45)

Zugleich aber geht Adorno in seiner Kritik des "abstrakt Allgemeinen" entschieden Ober Kant hinaus und begibt sich erst mit diesem Schritt in die für seine Philosophie charakteristische schier unauflösliche Verwirrung. Er hat als Kategorie des Denkens, die das "abstrakt Allgemeine" kennzeichnen soll, die der Identität gewählt und damit das als problematisch angesehene Verhältnis von Denken und seinem Objekt im Kantischen Sinne beschrieben, zugleich aber auch noch mehr behauptet. Während Kant streng und konsequent daran festhielt, daß das Denken b1oß subjektiv sei, sich also Aussagen über das Wesen der Dinge, das "Ding-an-sich" verböten, argumentiert Adorno auf einmal mit der Sicherheit der bloßen Subjektivität des Denkens über das Wesen der Dinge - und verwendet "Identität" dabei in einem doppelten Sinne. Identität heißt ja eigentlich nur, daß zwei von vornherein nicht zusammenfallende Seiten ein und denselben Inha1t haben. Im Bezug auf das Denken bedeutet dies, daß das Subjekt, dem das Erkenntnisobjekt vor der Arbeit der Erkenntnis notwendigerweise ein noch unbekanntes ist, dessen Bestimmungen das Subjekt also noch nicht weiß, sich die Prädikate des Objekts erarbeitet und damit eine Identität der objektiven Bestimmungen der Sache und des Inhalts seines Bewußtseins schafft. Damit weiß das Subjekt dann - und das ist die zweite in diesem Zusammenhang wichtige Bedeutung des Terminus - die Identität der Sache, d.h. das, was sie insgesamt ausmacht, oder die Einheit ihrer mannigfaltigen Eigenschaften. Adorno schließt nun von der Gewißheit dessen, daß die Identität der Erkenntnis - also die zwischen Erkenntnissubjekt und -objekt - nicht gegeben sei, darauf, daß die Dinge in der Tat und jenseits des erkennenden Bezugs auf sie nicht mit sich identisch seien, d.h. daß sie die eine und wesentliche Bestimmung der Objekte, Bestimmtes und Einzelnes zu sein, gar nicht an sich hätten:

Die Nichtidentität des Denkens mit der Sache wird belegt mit dem Wissen um falsche Wissenschaft und Philosophie, als ob ein Fehler nicht im Gegenteil das Richtige unterstellen würde und niemals ein Argument für die Unmöglichkeit objektiver Erkenntnis sein kann:

"nachdem Philosophie das Versprechen, sie sei eins mit der Wirklichkeit ... brach, ist sie genötigt, sich selber rücksichtslos zu kritisieren." 46)

Diese Kritik führt dazu, daß

"Der unnaive Gedanke weiß, wie wenig er ans Gedachte heranreicht... " 47)

Da nun Identität von Subjekt und Objekt in der Erkenntnis nur die sich selbst überschätzende Leistung des menschlichen Denkens sei, meint er die Identität der Sache mit sich se1bst als bloße Einbildung des Subjekts

von der Sache subtrahieren zu dürfen:

"Reine Identität ist das vom Subjekt gesetzte, insofern von außen Herangebrachte." 48)

Er bemerkt weder, daß er hier von Identität in einem anderen Sinne spricht, daß der Schluß von - nennen wir sie einmal so - "Identität 1" auf "Identität 2" gar nicht möglich ist, noch daß er mit der Identität der Sache mit sich, von der Kant immer ausging, weil sie tatsächlich schon die Gewißheit der Wahrnehmung ist, hinter die das Denken nicht zurückkann, ohne seine vollständige Haltlosigkeit darzutun, jeder Aussage über Dinge den Boden entzieht; schließlich, entgeht ihm auch, daß er mit der Behauptung über das Wesen der Dinge, genauer ihr Unwesen, explizit gegen seine eigene erkenntnistheoretische Behauptung über die Unmöglichkeit der "Identität 1" verstößt.

Adorno weiß nun also gewiß, daß die Dinge an sich keine Bestimmtheit und Einheit aufweisen, daß dies vielmehr vom Denken an diese hinprojiziert wird:

"Der Begriff an sich hypostasiert, vor allem Inhalt, seine eigene Form gegenüber den Inhalten. Aber schon damit das Identitätsprinzip: daß ein Sachverhalt an sich, als Festes, Beständiges sei, was lediglich denk-praktisch postuliert wird. Identifizierendes Denken vergegenständlicht durch die logische Identität des Begriffs." 49)

Jedoch meint er damit nicht eine besondere, etwa gar gegen das Denken und seine Gesetze verstoßende Art des Denkens, sondern Denken überhaupt:

"der Schein von Identität wohnt jedoch dem Denken selber seiner puren Form nach inne." 50)

Also:

"Identität ist die Urform von Ideologie." 51) - und demnach Denken Ideologie:

"Ideologie dankt ihre Resistenzkraft gegen Aufklärung der Komplizität mit dem identifizierenden Denken: mit Denken überhaupt." 52)

Als Erkenntnistheoretiker verhält sich Adorno außerordentlich inkonsequent. Einerseits will er nur, wie Kant, den "Bruch von Subjekt und Objekt, dem Subjekt unentrinnbar 52) ins Bewußtsein rufen, also nicht das Denken selber, sondern nur das Selbstbewußtsein desselben, also die Meinung, die von dessen Leistung herrscht, kritisieren und ändern. Von Kants diesbezüglicher Leistung hat Hegel bemerkt, sie habe den Gang der Wissenschaft nicht berührt, weder habe sie falsche Argumente kritisiert und damit aus der Welt geschafft, noch habe sie richtige verhindert: Bekenntnisse zu Kant und dazu, daß man selbstverständlich nur von Erscheinungen und nicht von den Dingen an sich wissen könne, seien den Vorwörtern vorbehalten geblieben, die Theorien selbst blieben von Kant unberührt. 54) Darüber hinaus aber weiß Adorno sehr wohl vom Wesen der Dinge, ist also selbst über den "unentrinnbaren Bruch" erhaben, vergleicht dieses Wesen der Dinge mit dem Wissen, das das Denken über sie zustande bringt, und kommt zu dem Schluß, Denken selber, gleich welcher Richtung oder Methode, sei Ideologie, treffe nicht das Wesen der Dinge, weil das Subjekt es mit sich bekannt macht und dadurch mit sich selber identisch. Die Identität der Dinge mit sich - dies, wie schon erwähnt, die abstrakteste Formulierung von 'etwas' - erscheint ihm, weil nur der erkennende Mensch diese Identität weiß, als Werk des Menschen; und weil er im Werk des Menschen per se die Nichtidentität der Sache sieht, betrachtet er alle Erkenntnis als äußerliche Subsumtion unter Allgemeinheiten, die nicht diejenigen der Sache sind. Auch hier besteht der besondere Fehler Adornos wieder darin, der an der Hegelschen Kantkritik geschulte und dadurch der radikalere, konsequentere Kantianer zu sein: Während Kant den Instrumentalismus predigte, um Wissenschaft von Spekulation abzugrenzen, und Hegel sehr deutlich - nämlich durch die Wahl Zweier Kapitel in der großen Logik - Teleologie, die praktische Setzung und Durchsetzung von Zwecken gegenüber Mitteln, vom Erkennen unterschied, setzt Adorno beides explizit gleich und hält dafür, daß es einerseits auch gar nicht anders sein könne, daß andererseits dies aber gerade das Verhängnis der Moderne sei, weshalb "losgelassene Rationalität irrational" 55) werde und gebremst werden müsse. Die Differenz zwischen der Teleologie und dem Erkennen besteht bei Hegel darin, daß sich das Erkennen gegen das Objekt passiv verhält, daß es dessen allgemeine Bestimmung ihm abgewinnt, bei der Teleologie dagegen das Subjekt sich aktiv gegen das Objekt verhält und ihm eine allgemeine Bestimmung, die nicht in ihm, sondern im Subjekt liegt, durch praktische Tätigkeit aufherrscht; ein Mittel wird benutzt, wozu es dem Menschen beliebt - sofern es dazu taugt - und daß es dabei vernichtet, verbraucht wird, zeigt noch die Wahrheit des Zwecks. Durch eine Herleitung des Denkens aus dem, was noch nicht Denken ist, setzt Adorno Teleologie und Erkennen gleich und behauptet damit, daß allgemeine Bestimmungen überhaupt äußerlich und damit Nützlichkeitsgesichtspunkte sein müßten: mit dieser Gleichsetzung versucht Adorno zu zeigen, daß wie ein Herrscher 56) seinen Sklaven, so "das Denken dem, woran es seine Synthesen übt, Gewalt antut." 57)

Die systematische Darstellung eines erkannten Gegenstands, die sich eben als Resultat der Forschung einstellt, so daß dann alle Momente der Sache so zusammenpassen, daß es "aussehen mag, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu tun", 58) erscheint Adorno, gerade weil alles zu - für Adorno 'unter' - seinen abstrakten Begriff paßt, als der "Geist gewordene Bauch". 59)

"Das System, in dem der souveräne Geist sich verklärt wähnte, hat seine Urgeschichte im Vergeistigen, dem animalischen Leben der Gattung." 60)

So sehr es stimmt, daß der Mensch im biologischen Sinne zuerst gelebt und seinen Bauch gefüllt hat und erst später zu denken begann, so wenig fällt Adorno auf, daß gerade eine Urgeschichte im Vergeistigen über das Geistige, das es ja noch gar nicht gewesen ist, nichts auszusagen vermag. Aber Adorno will Gewalt, Bauch und Fressen als die Attribute auch des heutigen Denkens bestimmen und nimmt dafür Argumente der Psychologie zur Hand, die stets und ohne Schwierigkeiten dazu taugen, alles, was der kultivierte Mensch tut und was der Wilde noch nicht konnte, als eine "sublimierte Art" dessen darzustellen, was der Wilde tat.

"Beim Fortschritt zur Humanität wird das rationalisiert durch Projektion.

Das animal rationale, das Appetit auf seinen Gegner hat, muß, bereits glücklicher Besitzer eines Überichs, einen Grund finden. ... Das zu fressende Lebewesen muß böse sein. Dies anthropologische Schema hat sich sublimiert bis in die Erkenntnistheorie hinein. Im Idealismus - am ausdrücklichsten bei Fichte - waltet bewußtlos die Ideologie, das Nichtich, l'autrui, schließlich alles an Natur Mahnende sei minderwertig, damit die Einheit des sich selbst erhaltenden Gedankens getrost es verschlingen darf." 61)

Adornos Argumente für den instrumentellen, also die Objekte der Erkenntnis vergewaltigenden Charakter des Denkens sind schlecht - sie leben von dem falschen Vergleich von Theorie und Praxis, von der Gleichsetzung des theoretischen und des praktischen "Sicheinverleibens" einer Sache. 62) Aber es geht nicht nur darum, die Qualität und Stringenz der Argumente zu prüfen; hierin hat Adorno dem Kritiker die Arbeit ohnehin leicht gemacht. Es geht darum zu klären, was Adorno meint was ihn wirklich bewegt, wenn er das Denken schlechthin zu einer Untat gegen das Objekt erklärt.

Exkurs: Instrumentalismus in der Geisteswissenschaft

Als die Voraussetzung seiner Kritik des wissenschaftlichen Denkens muß man Adorno zugestehen, daß er tatsächlich mit dem instrumentellen Denken ausgiebig, wenn nicht ausschließlich konfrontiert war. So sehr man aber auch einräumen mag, daß das instrumentelle Denken die allgemeine Form der modernen Wissenschaft darstellt, so wenig ist damit anerkannt, daß sie auch die notwendige Form desselben sei - mehr noch, dem Hegelschen "Grenzen"-Argument von oben zufolge ist mit der Erkenntnis des instrumentellen Charakters des Denkens es selber ja überwunden.

Wie Max Horkheimer 63) hat Adorno zunächst einmal die klassische Metaphysik im Auge, die instrumentell insofern verfährt, als sie allgemeinste Subjekte (wie Gott, Weltgeist, Leben), Substanzen (Geist, Materie) oder Zwecke (die moderne Form des Weltgeistes: Fortschritt) in die Welt setzt und alle wirklichen Dinge und Ereignisse unter diese Abstraktionen von den wirklichen Subjekten, Zwecken und Mächten subsumiert. Mit dieser Subsumtion interpretiert sie dann alles Wirkliche als "Erscheinung", "Emanation" oder einfach als Mittel der "höheren Zwecke' und Subjekte. Damit bringt die Metaphysik, von welcher Provenienz sie immer sei 64), Einheit (weil alles unter ein Prinzip paßt) Harmonie (weil alles zusammenpaßt) und wenn schon nicht für die wirklichen, dann für das gedachte abstrakte Subjekt Nutzen in die Welt - sie legitimiert so die Wirklichkeit. Hier ist Adornos Charakterisierung des Denkens berechtigt: hier werden wirklich Phänomene unter ihnen fremde Abstraktionen, unter "abstrakt Allgemeines subsumiert" 65) und wie die Formulierungen Adornos alle heißen. Freilich ist der Metaphysik - wie jeder anderen Theorie - nicht einfach ihre Absicht - mag sie auch die einer "Versöhnung des zerrissenen Weltzustands im Bewußtsein" sein - und auch nicht schlicht ihr Resultat - die Vorspiegelung, die Welt sei gerade als Werkzeug höherer Zwecke in Ordnung - vorzuwerfen, sondern ihr Argument: der Vorwurf der äußerlichen Allgemeinheit will nachgewiesen sein. Dieser Nachweis bestünde etwa darin, daß der Inhalt dieser Abstraktionen untersucht würde, dann fände man heraus, daß sie so universal gewählt sein müssen, daß alles unter sie paßt, weil nichts mehr durch sie charakterisiert wird. 66) Jenseitig sind diese ausgedachten Substanzen und Subjekte darin gegen alle wirklichen und deshalb auch wirkungslos gegen diese - nichtig. Adorno aber macht kaum Absätze dazu, dieses Verfahren der Metaphysik einer Analyse zu unterziehen - hätte er es gemacht, dann wäre er nicht darauf gekommen, diese Fehler mit dem Denken schlechthin zu verwechseln. So weniger sich mit den immanenten Argumenten der Philosophiekollegen beschäftigt, so wenig tut er es mit den geisteswissenschaftlichen Einzeldisziplinen, die zurecht als Erben der Philosophie - und zwar in ihrem Fehler - gelten dürfen. Auch sie betrachten alles als Mittel des Menschen - auch den Krieg oder das Zuchthaus. Sie konstruieren Zwecke, die nicht diejenigen der jeweiligen Institutionen sind, als deren mehr oder weniger geglückte Realisierung sie dann aber diese Institutionen betrachten. Bei diesem, schon oben eingeführten Dogmatismus des Nutzens kommen dann natürlich lauter neue nützliche Momente der Dinge zum Vorschein. Wenn die Soziologie z.B. unsere kapitalistische Wirtschaftsform als eine Gesellschaft bestimmt, dann subsumiert sie, anstatt, wie es sich für die Wissenschaft gehört, das noch zu bestimmende Subjekt des Satzes durch das Prädikat näher zu charakterisieren, das zu bestimmende Subjekt unter das noch unbestimmtere Abstraktum desselben. Anstatt also eine Definition mit "genus proximum" und "differentia specifica" zu geben, präsentiert sie das "genus proximum" als spezifische Besonderheit. Die Fortentwicklung des Urteils findet dann bei soziologischen Untersuchungen auch nicht auf der Seite des bestimmteren Satzsubjekts statt (i.e. Bestimmung des 'kapitalistischen'), sondern auf der Seite des unbestimmteren Prädikats 67): Gesellschaft ist ein System, in dem alles Funktionen für alles andere übernimmt. Kurzum, die Definitionen der Gesellschaft sind zumeist wissenschaftliche Fassungen der schon im Altertum bekannten Fabel des Mennenius Agrippa von dem Magen und den Gliedern. Die Gesellschaft ist also nützlich mit allem, was sie dem Individuum abverlangt, weil es sie gibt und dem Individuum die Einsamkeit erspart: Sie ist das Mittel der Verhinderung ihrer Abwesenheit 68). Gleiche instrumentelle Urteile fällen Ökonomen über ihren Gegenstand, wenn sie das Geld als Mittel zur Verhinderung der Schwierigkeiten des Naturaltauschs bestimmen. 69) Der Vergleich ist nämlich fiktiv: Der wirkliche Naturaltausch war, wie sein Name schon sagt, einer, der Geld weder gekannt, noch gebraucht hat; 70) der Naturaltausch des Ökonomen dagegen ist die Imagination einer Geld- und Warenwirtschaft ohne das, was sie dazu macht, ohne Geld - diese würde ohne Geld natürlich nicht funktionieren. So bleibt anstatt einer objektiven Bestimmung dessen, was Geld ist, als einziges Urteil ste1en, daß es gebraucht wird: 'Gott-sei-dank' gibt es Geld. Endlos wäre die Reihe der instrumentellen und darin nicht objektiven Urteile der Einzelwissenschaften fortzusetzen: Literatur wird als mögliches und problematisches Mittel, "etwas zu bewegen", besprochen - als ob sie das sollte - die Sprache als Mittel der Kommunikation 71) gut befunden und als Mittel des Denkens ungenau usf.

Alle diese Fehler bemerkt Adorno, aber nicht als Fehler! Er vielmehr hält diese parteiischem Betrachtungen für ein normales Funktionieren des wissenschaftlichen Denkens, dem er als solchem und nicht als einem falschen den Vorwurf des Instrumentalismus macht.

3. Der "emphatische" Wahrheitsbegriff

Mit dieser schwierigen, kritischen Stellung gegen das Denken stellt Adorno dem Leser zwei Fragen: Wenn er falsche, weil den Standpunkt der Nützlichkeit ins Denken hineinnehmende Theorien für normal und dem Denken notwendig erachtet; zweitens aber eben diese notwendige Form des Denkens für instrumentell, also doch irgendwie falsch hält; dann fragt sich einmal, was denn eigentlich der Maßstab dieser Kritik sein soll, an dem sich das Denken, wie es notwendig eben ist, kritisiert. Zweitens fragt sich, was denn dann in einem anderen Sinne wahr sein soll.

Die erste Frage beantwortet sich über eine Rekapitulation: Adorno hatte keinen einzigen Denkfehler des "instrumentellen" Denkens nachgewiesen und doch behauptet, es sei nicht objektiv, unvoreingenommen, sondern instrumentell. Am Denken kann er dieses Urteil also nicht festmachen. Gleichwohl weiß er das Denken als "spirituell gewordene Naturbeherrschung", durch welche dem Objekt der Erkenntnis "durch dessen Zurüstung zum Objekt (etwas) verloren ging" 72). Was er am Denken nicht entdecken kann, das merkt er am Resultat desselben: In ihm liegen die Dinge als Mittel der praktischen Benutzung vor. Freilich bedeutet das etwas ganz verschiedenes in den Natur- und den Geisteswissenschaften. Während nämlich in den Geisteswissenschaften ein Zweck, als dessen Mittel die Dinge dann interpretiert werden, erfunden wird, der also in der Praxis nicht existiert, ist die erkannte Natur an und für sich Mittel. Während also in der Geisteswissenschaft ein illusorischer Materialismus gepflegt wird, der alles unabhän9ig von seinen wirklichen Bestimmungen a1s Mittel ansieht und damit gerade die objektive Beurteilung, ob etwas Mittel ist oder nicht, verhindert erscheint bei der Natur "die theoretische Erkenntnis ihrer selbständigen Gesetze ... selbst nur als List, um sie dem menschlichen Bedürfnissen zu unterwerfen". Erst durch objektive Erkenntnis wird die Natur, was sie an sich schon immer ist: "rein Gegenstand für den Menschen, rein Sache der Nützlichkeit" 73). Für die praktische "Beherrschung" hat dies die Konsequenz, daß die richtige Naturwissenschaft wirklich Grundlage der Naturbeherrschung ist, der diese dann auch praktisch keine Gewalt antut, weil man einer Sache, die keinen eigenen Zweck hat, beliebige ihr ebenso gleichgültige Zwecke vorsetzen kann, der sie als Mittel zu dienen hat. Auf der anderen Seite führt die instrumentelle Geisteswissenschaft, die es nicht zur Erkenntnis der selbständigen Gesetze ihrer Objekte bringt, auch in der Praxis nicht zu einer Beherrschung und erfolgreichen Benutzung gesellschaft1icher Gegenstände, sondern zu Unterwerfung unter unbegriffene Gesetze, die eben dadurch mitten Bereich des menschlichen Geistes und Wollens zu dem berühmten "Naturgesetz, das auf der Bewußtlosigkeit der Beteiligten beruht", 74) werden. Diese Differenz von Natur- und Geisteswissenschaften, von objektiver Erkenntnis (und daher erfolgreichem praktischen Instrumentalismus) und theoretischem Instrumentalismus (mit deshalb notwendig erfolgloser Praxis) sieht Adorno nicht, weil er sich nicht auf die Beurteilung des Denkens einläßt, sondern undifferenziert das Resultat desselben seiner Kritik unterwirft. Hegel schon hatte auf den Unterschied hingewiesen:

"Wenn vom Zweck die Rede ist, so pflegt man dabei nur die äußerliche Zweckmäßigkeit vor Augen zu haben. Die Dinge gelten bei dieser Betrachtungsweise nicht als ihre Bestimmung in sich selbst tragend, sondern bloß als Mittel, welche zur Realisierung eines außerhalb ihrer liegenden Zwecks gebraucht und verbraucht werden. Dies ist überhaupt der Gesichtspunkt der Nützlichkeit, welcher vormals auch in den Wissenschaften eine große Rolle spielte, demnächst in verdienten Mißkredit gekommen und als zur wahrhaften Einsicht in die Natur der Dinge nicht auslangend erkannt worden ist. Allerdings muß den endlichen Dingen als solchen dadurch ihr Recht angetan werden, daß man sie als ein Nicht-Letztes und als über sich hinausweisend betrachtet. Diese Negativität der endlichen Dinge ist indes ihre eigene Dialektik, und um diese zu erkennen, hat man sich zunächst auf ihren positiven Inhalt einzulassen." 75)

Adorno kritisiert das Denken ohne Rücksicht auf seinen besonderen Gegenstand und ohne Rücksicht auf seine eigenen wissenschaftlichen Qualitäten als instrumentell. Er stört sich daran, daß Gegenstände - und sei es die Natur - im Resultat der Wissenschaft als Mittel vorliegen, und wirft der Wissenschaft dieses ihr (richtiges oder falsches) Resultat vor. Noch unausgeführt liegt hierin die später zu entwickelnde Idee, daß die Dinge nicht Mittel sein sollten - und zwar theoretisch wie praktisch. Hatte Adorno schon bei der Darstellung des Verhältnisses des Denkens zu seinem Objekt das Denken gleich mit Bestimmungen der Praxis, genauer des Verzehrens ausgestattet, so richtet sich auch seine Kritik auf das Denken als eine Bedingung der praktischen Benutzung der Dinge wie auf diese selber. Diese Parallelität der zwei Betätigungen der menschlichen Subjektivität, die doch durchaus verschiedenen Gesetzen folgen, führt zu dem erstaunlichen Ergebnis, daß Adorno dem Denken sowohl den Vorwurf macht, mit seinem Objekt nie übereinzustimmen, wie auch das Kompliment, es sei objektiv. Dieser zweite Widerspruch zur ersten erkenntnistheoretischen Behauptung hat sich freilich schon darin angedeutet, daß gegen das "instrumentelle" Denken keine theoretischen Einwände erfolgt sind. Wenn ein Denken als notwendig und "als Denken" auch gar nicht anders möglich akzeptiert wird, dann liegt darin schon die Anerkennung, es sei auch richtig so.

Diese parallele Führung der Bestimmungen der Theorie und der Praxis, deren beide jeweils auch unmittelbar die andere Seite treffen sollen, ist im übrigen nichts anderes als der oben schon besprochene Fehler, die Theorie als eine Art von Praxis 76) zu bestimmen, jetzt aber auf beide Seiten angewendet. Adorno ist sich im übrigen dieses Springens mittels "vager Analogien" 77) durchaus bewußt und vertritt seine Weigerung, Theorie als Theorie zu besprechen, offensiv als "das Sachhaltige" seiner Philosophie:

"Leicht wäre mir eine Äquivokation vorzuwerfen: Problem sei bei Popper etwas lediglich Erkenntnistheoretisches und bei mir zugleich etwas Praktisches, am Ende gar ein problematischer Zustand der Welt. Aber es geht ums Recht eben dieser Distinktion. Man würde Wissenschaft fetischisieren, trennte man ihre immanenten Probleme radikal ab von den realen, die in ihren Formalismen blaß widerscheinen." 78)

Resultat des Verfahrens, das Denken als Widerschein, als modifizierte Praxis, aufzufassen, sind folgende Einsichten:

Einerseits vergewaltigt das Denken seine Objekte, die es "zum Objekt" des Denkens "zurichtet":

"Die Dinge verhärten sich als Bruchstücke dessen, was unterjocht ward; seine Errettung meint die Liebe zu den Dingen." 79)

"Der versöhnte Zustand annektierte nicht mit philosophischem Imperialismus das Fremde, sondern hätte sein Glück daran, daß es in der gewährten Nähe das Ferne und Verschiedene bleibt, jenseits des Heterogenen wie des Eigenen." 80)

Alle andersartigen Beteuerungen ändern nichts daran, daß Adorno in seiner Gleichsetzung von Erkenntnis und Instrumentalismus die Erkenntnis zu einem übel erklärt, das im versöhnten Zustand den Dingen nicht mehr angetan würde. Vielmehr würde Liebe zu den Dingen herrschen, und die Nähe zu ihnen bestände darin, sie als ferne, unbegriffene zu wissen.

Andererseits aber ist die Zumutung der Erkenntnis gegen ihr Objekt 81) ja der Widerschein der Praxis 82) und nicht eine eigenständige Leistung, die nach ihren Kriterien beurteilt werden könnte; als solche bildet sie nur ab, was praktisch passiert. Damit wird der Theorie als Theorie explizit Wahrheit konzediert, und der Fehler fällt ganz in die Praxis, in der die Dinge so reduziert und praktisch zu Abstraktionen gemacht werden, wie die Theorie sie darbietet. Daß auch dieser Gedanke haltlos ist, da man die Wirklichkeit schlechterdings nicht zu Abstraktionen machen kann, denn das hieße sie praktisch zerstören 83) ficht Adorno nicht an. Am Tausch, dem allgemeinen Schlüsselbegriff für die Praxis in der bürgerlichen Welt überhaupt, stellt Adorno dar, daß die Wirklichkeit genau so schief ist, wie er behauptete, daß die Theorie sie sehe - womit letztere wieder richtig liegt.

"Das Tauschprinzip, die Reduktion menschlicher Arbeit auf den abstrakten Allgemeinbegriff der durchschnittlichen Arbeitszeit, ist urverwandt mit dem Identifikationsprinzip. Am Tausch hat es sein gesellschaftliches Modell und er wäre nicht ohne es. Durch ihn werden nichtidentische Einzelwesen und Leistungen kommensurabel, identisch. Die Ausbreitung dieses Prinzips verhält die ganze Welt zum Identischen, zur Totalität." 84)

Die Abteilung der kapitalistischen Wirtschaftsweise aus einer Denkform soll hier ebensowenig interessieren wie die Logik der Analogie, die es erlaubt, innerhalb eines Satzes den Tausch zuerst zum praktischen Pendant, zum "Modell" des Denkens zu machen, dann umgekehrt das Denken zur conditio sine qua non des Tausches und schließlich das Denken zum Subjekt der ganzen Bewegung zu erklären, das in die Praxis praktisch hineinwirke und sich alles so mache, damit es dies so praktisch hergerichtete Unwesen dann auch erkennen könne - den Tausch aber zum praktischen, verlängerten Arm des Gedankens.

Dies alles soll hier nicht so interessieren wie der Umstand, daß Adorno mit diesen Analogien dem Denken ausgerechnet Objektivität bescheinigt - immerhin das einzige, was von Denken zu fordern ist; allerdings in einer sehr eigentümlichen Weise: Nur weil das Objekt wirklich genau so reduziert ist, wie es vom Denken zurechtgeschustert wird, ist das Denken stimmig. Es fällt Adorno dabei nicht einmal auf, daß, wenn die Objekte der Wirklichkeit tatsächlich so hergerichtet sein sollten, wie er glaubhaft machen will, dann das Denken nicht noch einma1 mit dem Abstrahieren beginnen dürfte - die eine Behauptung hebt die jeweils andere unweigerlich auf. Trotzdem wird die ratio als Subjekt der Weltveränderung weiter verfolgt:

"Die bürgerliche ratio näherte als Tauschprinzip das, was sie sich kommensurabel machen, identifizieren wollte, mit wachsendem, wenngleich potentiell mörderischem Erfolg real den Systemen an, ließ immer weniger draußen. Was in der Theorie als eitel sich überführte, ward ironisch von der Praxis bestätigt." 85)

Damit ist das Denken 1. gerade dann, wenn es seine Objekte erkennt und ihren Begriff weiß, Ideologie; 2. ist es gerade darin objektiv:

"Als äußerster Grenzfall von Ideologie rückt das transzendentale Subjekt dicht an die Wahrheit." 86)

Schließlich, und hier wollen wir uns wieder nicht um die bekannten Widersprüche kümmern, sondern müssen versuchen, das Gemeinte zu finden, wird das Denken insgesamt so bestimmt, daß es gerade durch seine Objektivität ideologisch ist. über den oben angegebenen Umweg kommt Adorno dazu, das Wissen als Wissen zu akzeptieren, und ist gerade deswegen mit ihm nicht zufrieden. Er gibt mit der Parallele von Theorie und Praxis an, daß sowohl den Dingen etwas fehlt, wenn sie als das gewußt werden, was sie sind, wie auch dem Denken, wenn es die Dinge als das weiß, was sie sind. Seine Kritik der Erkenntnis heißt nicht mehr, sie sei falsch, sondern sie sei bloß Wissen - freilich ist dies eine Kritik, die sich offenbar nicht dem wissenschaftlichen Standpunkt verdanken kann. Dem Wissen vorzuwerfen, es sei nur es selbst und nichts anderes, mißt das Wissen an etwas, was es eben nicht ist. So zeigen Adornos Äußerungen zur Mangelhaftigkeit des Wissens immer wieder, daß der Mangel jedenfalls keiner des Wissens ist.

"Ordnet es (das Denken, d. V.) sich aber als Wissenschaft den Wissenschaften ein, so verzichtet es auf den eigenen Impuls eben dort, wo es dessen am dringendsten bedürfte. Es bleibt dinghaft, bloße Nachkonstruktion eines durch die gesellschaftlichen Kategorien und schließlich die Produktionsverhältnisse bereits Vorgeformten ... Wissenschaft verdinglicht, indem sie die geronnene geistige Arbeit, das seiner gesellschaftlichen Vermittlung unbewußte Wissen, zum Wissen schlechthin erklärt." 87)

Demnach soll es also noch ein anderes Wissen geben als das Wissen der Objektivität, ein Wissen, das vielmehr von dem durch diese Unterscheidung zum "bloß objektiven Wissen" herabgesetzten verhindert wird. Deswegen wird der Angriff auf das Wissen der Welt scharf und polemisch:

"Damit fällt ein greller Strahl auf die Wahrheit selbst. Spekulation spürt eine gewisse Pf licht, ihrem Gegner, dem common sense, die Position des Korrektivs einzuräumen. Behielte das Pdestre das letzte Wort, wäre es die Wahrheit, so wäre die Wahrheit entwürdigt. Das triviale Bewußtsein mag der adaequatio rei atque cogitationis näher sein als das sublime, in fratzenhaftem Hohn auf die Wahrheit wahrer als das überlegene, außer wenn ein anderer Begriff von Wahrheit gelingen sollte als der von adaequatio." 88)

Zwar ist auch Adornos Bestimmung, Wissen sei "bloße Nachkonstruktion" dessen, was es schon gibt, eine unpassende Darstellung des Begreifens, aber immerhin macht Adorno damit klar, daß das andere Wissen, das ihm vorschwebt, nichts mit dem zu tun hat, was Wissen heißt; nämlich das Wissen von etwas, was es ohne den Wissenden schon gibt, und was diesem vor seinem Wissen noch unbekannt und damit unbeherrscht war. Dieses weitergehende Wissen soll sich von der "adaequatio" frei machen, denn die "Orientierung" des Denkens an der Realität erscheint Adorno als Fehler. Wieder einmal wirft er Bestimmungen der Theorie und der Praxis zusammen und kommt zu einer Kritik des Denkens nur darüber, daß er dessen Bezug auf die Realität dem praktischen gleichsetzt. Daß sich die Theorie nämlich am Objekt orientiert, i. e. nur seine Bestimmungen wissen, diese aber in ihrer Notwendigkeit wissen will, erscheint ihm als dasselbe, als wenn der Mensch sich praktisch immerzu dem Gegebenen unterwirft. Diese Verwechslung drückt sich darin aus, daß Adorno meint extra betonen zu müssen, man dürfe beim Erkennen, wie er es vorschlägt, die Erkenntnis nicht mit der Billigung des Erkannten vermischen, obwohl "der Begriff" diese eigentlich tue:

"Während sie (die philosophische Erkenntnis, d. V.) der realen Determination der Phänomene durch ihren Begriff versichert ist, kann sie diesen nicht ontologisch, als das Wahre sich vorgeben. Er ist fusioniert mit dem Unwahren, dem unterdrückenden Prinzip." 89)

Die Begriffe, die die Wissenschaft weiß, sind also wirklich die Gesetze der Sachen - insofern sind die Urteile der Wissenschaft wahr; aber sie sind nicht das "Wahre". Schon der Subjektswechsel des Satzes kündigt an, daß nicht die Urteile, sondern ihre Objekte, nicht die theoretischen Begriffe, sondern ihr Inhalt, die Gesetze der Dinge gemeint sind, wenn gesagt wird, sie seien nicht "das Wahre". Verwundern muß freilich die adversative Form, in der diese Trivialität ausgesagt wird. Wer außer Adorno sollte gemeint haben, daß die objektiven Gesetze und Zwecke (denn Zwecke sind die Gesetze der gesellschaftlichen Phänomene) allein darum, daß sie objektiv sind, auch schon gut oder wünschenswert wären? Adorno mag hier wieder an Hegel denken, doch sogar sein berühmter und in der Tat gefährlicher Satz, nach dem, was vernünftig, wirklich und was wirklich vernünftig ist, verfällt nicht dieser Kritik einer simplen Verwechslung 90) Hegel bezog sich nämlich auf die Seite des Inhalts, bestimmte das Wirkliche als das in seiner Notwendigkeit erkannte, und hielt dafür, daß man, was notwendig ist, nicht einer Kritik, ob es sein solle oder nicht, unterziehen dürfe.

Adorno also ist vornehmlich selber der Adressat seiner Kritik, daß man nicht für "das Wahre" halten dürfe, was man für das wirkliche Gesetz einer Sache erkannt hat. Er nimmt nämlich die Erkenntnis einer Sache per se als ihre Rechtfertigung, was sich schon in der Formulierung "das Wahre" ankündigt. Man fühlt sich erinnert an die bayrische Verfassung, die dazu verpflichtet, die Kinder im Geiste des Wahren, Guten und Schönen zu erziehen. Das 'Wahre' ist an und für sich doch erst einmal die zu einem Subjekt hochstilisierte Qualität theoretischer Aussagen; wahr sind Theorien, nicht Dinge. Wird aber "das Wahre" zur Qualität von Dingen, so meint es, daß diese Dinge in dieser bestimmten Beschaffenheit richtig, wünschenswert oder ihrem Begriff entsprechend seien. Konsequenterweise wird diese Formulierung auch nicht auf Dinge und Verhältnisse angewandt, die wirklich notwendig sind, sondern nur auf solche, die der Willkür und freien Gestaltung der Menschen unterliegen. Vom Fallgesetz hat noch niemand gesagt, es sei "das Wahre", wohl aber wird der "wahre Sozialismus" von einigen anderen unterschieden, ebenso wie die wahre Liebe. Tatsächlich liegen hier Urteile der Nützlichkeit vor, Urteile, die sagen, was wünschenswert ist und was nicht. Der Maßstab dieser Entscheidungen ist nichts als das praktische Interesse, denn anders läßt sich nicht entscheiden, was gewollt werden soll, bzw. gewollt wird. Die Form dieses Urteils ist aber die der Theorie. Praktische Fragen nicht praktisch, sondern mit theoretischen Grundsätzen zu entscheiden, das ist die Haltung, die sich in dieser metaphorischen Rede von "dem Wahren" ankündigt. Dieses aber ist der wissenschaftlichen Theorie unmöglich, sie sagt nur, was ist und nennt die Gesetze desselben, sie sagt keineswegs, was sein soll 91) und sie braucht das auch gar nicht; denn die wirkliche Kenntnis der Gesetze einer Sache liefert der praktischen Beurteilung so eindeutiges Material, daß die Bewertung durch das Interesse dann absolut keine Frage mehr ist. So dürfte die Darstellung der Zwecke und Mittel eines Krieges durchaus hinreichen, um eine Bewertung dann unproblematisch werden zu lassen; und Marx' Analyse der kapitalistischen Wirtschaft, von der er sagte, sie sei eine Ausbeutungsgesellschaft, die Reichtum auf Kosten von Armut schaffe und beides auf immer größerer Stufenleiter, ist in der Vergangenheit auch immer theoretisch angegriffen worden und nicht hinsichtlich der Bewertung dieser Resultate. Man bezweifelte - und dies ist die wissenschaftliche Kritik - die theoretischen Urteile dieser Wissenschaft und war keineswegs bereit einzuräumen, daß freilich Ausbeutung herrsche, daß aber die Bewertung dieses Umstands noch eine offene Frage sei. Wissenschaft hat also weder eine praktische Orientierung an sich, noch bedarf sie einer solchen, weil sich die praktische Beurteilung einer erkannten Sache von selber versteht.

Adorno aber nimmt jede Theorie als Philosophie er nimmt Theorie, die zunächst weder Lob noch Kritik einer Sache ist 92), sondern nur ihre Gesetze erforscht, als Legitimation, gerade dann, wenn sie die Gesetze der Sache weiß. 93) Eine Sache in ihrer Notwendigkeit zu wissen, oder ihre immanente Zweckmäßigkeit zu kennen, ist aber etwas ganz anderes, als eine Sache als notwendig, bzw. als zweckmäßig anzusehen. Die Differenz besteht im Bezugspunkt der Notwendigkeit. Die "Logik des Kapitals" erklärt das Kapital nicht - in einer saloppen Wendung - zu einer logischen Sache; die Logik der Religion, die nicht zuletzt Hegel sehr klar entfaltet hatte, besagt noch lange nicht, daß die Religion eine Sache des logischen Denkens wäre. Die Logik einer Sache nennt ihr immanentes Gesetz, damit sind nur die Momente dieser Sache aus ihrem allgemeinen Zweck entwickelt, nicht aber diese Sache als notwendig. Letzteres unterstellte nämlich einen Bezugspunkt jenseits dieser Sache, relativ zu dem sie überhaupt nur als notwendig angesehen werden könnte; dieses Verfahren aber - und das hat wiederum Adorno treffend gezeigt - führte von einem zum andern und müßte rein Seiner Form nach in einem unendlichen Regress enden, in dem stets der Grund als zufällig, das Begründete aber als damit zufällig notwendig" erschiene.

Adorno aber nimmt alles Denken als Philosophie, alle Erklärung einer Sache aus ihrem immanenten Zweck als Ableitung einer Sache aus irgendeinem Ur- oder Letztgrund, damit als Apologie, denn alles, was aus einem absoluten Grund heraus notwendig ist, ist per se gerechtfertigt. Wie gläubige Menschen jede geäußerte Auffassung als Glauben betrachten - und jede, die von der ihren abweicht, als Irrglauben - so betrachtet der Philosoph Adorno jede Theorie, die ihre Sache weiß, als Philosophie - aber als falsche. Denn er wendet sich gegen die Tradition der deutschen Philosophie, die stets das jeweils Bestehende zu legitimieren wußte. Indem er jede wissenschaftliche Theorie als Philsophie nimmt, betrachtet er ihre Objektivität, d. h. ihre Wahrheit, ihre Orientierung am Gegenstand als Orientierung auf den Gegenstand, als Parteinahme für ihn. Daß die Wissenschaft sich auf ihre Objekte einläßt, sieht Adorno als ihren Fehler an und bezichtigt sie desha1b des Positivismus. Nicht legitimatorisch, kritisch müßte nach ihm eine philosophisch bewußte Wissenschaft sein, kurz: negativ:

"Bis in die Vulgärsprache hinein, die Menschen lobt, wofern sie positiv seien, Schließlich in der mordlustigen Sprache von den positiven Kräften wird das Positive fetischisiert. Demgegenüber hat unbeirrte Negation ihren Ernst daran, daß sie sich nicht zur Sanktionierung des Seienden hergibt." 94)

Adorno tritt dem verwissenschaftlichten Zeitgeist, den er eben darin für positivistisch hält, mit der Aufforderung zu einer anderen, jenseits aller Gegenstände des Denkens bezogenen, kritischen Grundorientierung entgegen. Adorno hält also erstens eine außerwissenschaftliche Orientierung des Denkens für nötig, damit dieses nicht ideologisch wird, und zweitens eine kritische Haltung. Damit aber wird Kritik zu einer Frage der Haltung - und das ist merkwürdig. Wie schon aufgezeigt, ist Kritik Resultat der Wissenschaft, nicht eine Haltung in ihr. Während die Naturwissenschaft weder kritisch noch affirmativ ist, weil dieser Gegensatz für sie überhaupt unpassend ist, die instrumentelle Geisteswissenschaft dagegen affirmativ, weil sie per se für das Objekt ihrer Untersuchung Partei ergreift und den Nutzen desselben erfindet, während schließlich richtige Wissenschaft von den gesellschaftlichen Gegenständen als solche ebenfalls weder kritisch noch affirmativ ist, sondern eben die Zwecke ihrer Gegenstände erforscht und damit - je nach Sache - wirklich alles Nötige über sie sagt, sieht Adorno gerade in der Wissenschaftlichkeit den affirmativen Charakter und empfiehlt eine Befreiung von demselben. Er sieht das größte Hindernis für eine kritische Orientierung in einer unvoreingenommenen Beschäftigung mit der Sache, die das Denken freilich als wirkliche Tatsache anerkennt - sonst könnte man sich ja wirklich jede Frage nach Gründen sparen. Adorno aber kann nur den Kopf schütteln über die

"Tatsachengläubigkeit des Fachmenschen, der jede Besinnung auf das, was nicht der Fall ist, als Belästigung und womöglich als Frevel am wissenschaftlichen Geist empfindet." 95)

So wird die Orientierung auf das, was es nicht gibt, aufs Wünschen, Erfinden und Spekulieren der Wissenschaft als Korrektiv ihrer unweigerlich affirmativen Neigungen empfohlen. Indem Kritik so von einem Resu1tat der Theorie zu ihrer Qua1ität gemacht wird, befreit sie Adorno von ihrem Grund in der Sache; sie wird prinzipiell - und damit grundlos. Wer aus Prinzip kritisiert, hat keinen Grund am einzelnen Objekt und untergräbt sich gerade mit seiner Sicherheit, die sich von nichts beeindrucken läßt, das Argument der Kritik. Kritik setzt sich ins Unrecht, indem sie zur Haltung wird. Kritik wird für Adorno so zum Kriterium der Wahrheit - und weil diese Kritik Haltung ist und sich von ihrem Grund in der Sache emanzipiert hat, wird die Orientierung auf das, was nicht ist, die Spekulation zum Signum der Kritik. Es ist keineswegs so, daß Adorno um der Kritik bestimmter, von ihm als schlecht beurtei1ter Umstände willen die Kritik in der tatsächlich höchst affirmativen Welt der Wissenschaft beleben wollte. Umgekehrt verhält es sich. Um der Orientierung auf das Nicht-Seiende, um der Philsophie willen entdeckt er das Bedürfnis nach Kritik, das eine apologetische Wissenschaft nicht befriedigen wollte, und nutzt es aus, um für Philosophie zu argumentieren. Der Beweis für diese Behauptung liegt auf der Hand: Was als Kriterium der Wahrheit bleibt, ist Kritik. Wenn diese aber jenseits vom Gegenstand vorweg entscheiden soll, daß auf jeden Fall zu kritisieren sei, dann besteht sie in einer negativen Einstellung: im Vorurteil, daß auf jeden Fall das, was nicht ist, viel besser sein könnte als das, was ist 96).

4. Metakritik der Erkenntnistheorie

Die Metakritik der Erkenntnistheorie ist eine der interessantesten Untersuchungen im Werk Adornos, weil er hier viele wissenschaftliche Argumente gegen die Erkenntnistheorie aufnimmt, wie sie schon von Hegel vorgetragen - und hier im Grundzug referiert - wurden. Adorno argumentiert gegen die Erkenntnistheorie wissenschaftlich und erfüllt in diesem Bereich alleine das auch von ihm für unabdingbar erachtete Gebot der immanenten Kritik. Allerdings verläßt er seinen oben angegebenen philosophischen Standort dabei nicht. Er kann Hagels Argumente "brauchen" und biegt sie um, wo es darauf ankommt, das philosophische Problem zu erhalten. überhaupt erklärt sich sogar das Interesse Adornos an der Erkenntnistheorie und ihrer Kritik aus seiner rein philosophischen Sicht wissenschaftlicher Theorien.

Er hatte, wie oben darzustellen versucht wurde, wissenschaftlichen Einsichten den Vorwurf gemacht, sie seien gerade darin, daß sie das ihnen objektiv vorgegebene Objekt und sonst nichts dächten, ideologisch; sie würden den Objekt nicht gerecht, wenn sie es nur als das nähmen, was es ist. Mehr noch, das Denken orientiere praktisch auf das Gegebene, sei legitimatorisch, indem es "nur" objektiv sei. Adorno hatte also alle Wissenschaft als Philosophie genommen, die Sinn, Orientierung und "das Gute" zum heimlichen Thema habe, wenn sie doch nur Dinge erkennt. Als Philosophie kritisiert er sie nun. Jenseits von der Argumentation irgendwelcher Theorien befragt er sie nach ihrer Begründung, ihrem Rechtsgrund, kamst in den unvermeidlichen Regress der Erkenntnistheorie hinein und beweist damit, daß diese Wissenschaften doch nicht "Letztes", an und für sich "Gültiges" sind, sondern abhängig von allerlei Setzungen. Als solche gar nicht "letzten" Erkenntnisse - die wissenschaftliche Einsichten ja weder sein wollen noch nicht sein wollen, weil sie eben keine Philosophien zu sein behaupten - bekommen sie ihren Stellenwert dann erst durch die Philosophie, die in einer "Selbstreflexion des Denkens" den "Wert" der gemachten Voraussetzungen zu prüfen beansprucht. Das komplizierte Verfahren, das Anliegen der Erkenntnistheorie nicht zu kritisieren, sondern zu übernehmen und selbst zu betreiben, ihre Beweise aber zurückzuweisen, kennzeichnet Adornos Verhältnis nicht nur zur Erkenntnistheorie, der Metaphysik der Wissenschaft, sondern zur Metaphysik überhaupt. Es soll hier im einzelnen untersucht werden.

Adorno macht zunächst den Fehler der Erkenntnistheorie mit. Er beginnt seine Vorlesung über sie mit der erkenntnistheoretischen Frage, an der er nichts auszusetzen hat:

"Sie werden hinnehmen müssen, daß unter Erkenntnistheorie eben doch sehr wesentlich die Rechtsfragen der Erkenntnis zu verstehen sind, also die Fragen, die sich auf die Gültigkeit oder Nichtgültigkeit, die Wahrheit oder Unwahrheit, die Richtigkeit oder die Nichtrichtigkeit von Erkenntnis ... beziehen." 97)

Er bemerkt nicht, daß er damit schon in eine Überlegung eingestiegen ist, die in der schon angeführten Weise eine "scholastische Frage" werden muß; denn jenseits vom einzelnen Argument läßt sich die Objektivität des Denkens überhaupt eben weder bezweifeln noch legitimieren. Mehr noch; Adorno teilt auch noch den Irrtum aller Erkenntnistheoretiker - auch der modernen: der Methodologen - Erkenntnistheorie tue not, "sonst müßten wir einfach drauflos erkennen und wären damit eben all den Fehlerquellen ausgesetzt, denen die unkritische Erkenntnis unterliegt" 98) Als ob die vielen schon versuchten Erkenntnistheorien und Methodologien jemals Fehler in der Wissenschaft aufgespürt und ausgeräumt hätten!

Während tatsächlich nur Behauptungen begründet werden können, verlangt auch Adorno, daß Begründungen begründet werden müßten, und geht so weg von der Begründung. Er hinterfragt sie und kommt damit zu der Frage der Erkenntnistheorie: Woher kommt die Erkenntnis, bzw. worauf gründet sie sich?; wie kann das Bewußtsein Erkenntnis produzieren?; welchen "Zwängen" unterliegt es dabei? usw. Diese Frage nach dem "letzten" Rechtsgrund des Erkennens führt notwendig in einen unendlichen Regreß. Das weiß Adorno und er will nichts, als dessen Notwendigkeit beweisen.

"Ich glaube, es ist, wenn Sie die Fragen der Erkenntnistheorie in der Reinheit erkennen wollen ... notwendig, daß Sie nicht nur sehen, aus welchem inneren Zwang, aus welcher inneren Not es zur Reflexion auf das Bewußtsein und seine Formen kommt. Sondern daß Sie zugleich auch eine Ahnung davon haben, daß dieser Zwang selber nicht das letzte ist, ja daß diesem Zwang selbst ein Moment von Täuschung innewohnt." 99)

Auf Basis der erkenntnistheoretischen Fragestellung kritisiert Adorno nun die Fehler dieser Disziplin an Kant - obwohl doch mit der Frage die Notwendigkeit der Fehler schon gesetzt ist. So weist er auf den Zirkel von Erkenntnisvermögen und seiner als gewiß unterstellten Äußerung, von der her man einzig vom Vermögen wissen könne, hin:

"Das hat deshalb, ich sage das in allem gebührenden Respekt selbst vor dem großen Kant, ein bißchen etwas von Spiegelfechterei; denn wenn man so, wie es im Ansatz der Kantischen 'Kritik der reinen Vernunft' geschieht, die Wissenschaft selbst als ein Fragloses, Gültiges, schlechthin zu Achtendes voraussetzt, hat der Versuch, ihre Geltung hinterher abzuleiten, eigentlich etwas Scheinhaftes. Man beweist nur, wessen man von vornherein sicher ist." 100)

Aus diesem Zirkel folgt für Adorno nun aber nicht, daß man sich gleich die Bezweiflung der Objektivität der Erkenntnis hätte sparen können, wenn man alle ihre Bestimmungen dann doch aus der stattgehabten Erkenntnis nehmen muß, wenn man sie "rekonstruieren" will, daß man "von Anfang an gewissermaßen zu einem hysteron proteron gezwungen (ist, d. V.), d. h. zur Setzung einer gegenständlichen Sphäre als einer Gegebenheit, mit der er (Kant) es dann immer wieder zu tun hat." 101) Das Gegenteil schließt Adorno daraus: nicht die Ungewißheit, die Sicherheit Kants sei erschwindelt; man müsse die Frage nach dem "Rechtsgrund" des Denkens stellen, dürfe sich aber dabei nicht auf wirkliche Erkenntnis als sichere Grundlage beziehen:

"Das will sagen, daß Philosophie heute sich nicht so, wie es noch bei Kant der Fall war, die Wissenschaft einfach vorgeben und dann zu dieser vorgegebenen Wissenschaft, an der von vornherein kein Zweifel sei, eine Art von Rechtfertigung suchen kann." 102)

Aber nicht nur das Wissen, also die Identität von denkendem Subjekt und gedachtem Objekt, darf "vorgegeben" sein, auch die Extreme dieses Verhältnisses. des Gegenstands der Erkenntnistheorie, sind keineswegs eine sichere Basis der Erkenntnis. Noch einmal soll klargestellt werden, daß diese Frage schon der Fehler ist. Erkenntnis gibt es, sie muß nicht mehr begründet (allenfalls erforscht) werden; es gibt also auch das Problem nicht, wo sich die Erkenntnis einer festen Basis versichern könnte. Nur durch die von Adorno mitgemachte Suche nach einem "Ersten", einem Deduktionspunkt, aus dem sich alles ableiten ließe, kommt der Philosoph in die Aporie des unendlichen Regresses, die Adorno "aufdeckt". Er referiert in seiner "Vorlesung zur Einleitung in die Erkenntnistheorie" so zwar das "Grenzen"- Argument Hegels, mit dem die ganze Erkenntnistheorie aus den Angeln gehoben ist, kann damit aber überhaupt nichts anfangen. 103) Er weiß um Hegels Argument, daß die Trennung des Bewußtseins von seinem Inhalt, den es bei Kant ja erst noch nach seiner Subjektivität oder Objektivität beurteilen soll, ein absolut leeres Ich, ein Bewußtsein ohne Inhalt zurückläl3t, das als solches ja wirklich nichts mehr weiß; aber Adorno liest dies anders.

Er hatte ja überhaupt schon den Gedanken, daß die Erkenntnistheorie auf die Formen des Bewußtseins reflektiert, als Suche nach dem absolut Gewissen aufgefaßt, von dem aus das besondere Wissen abgeleitet werden könnte. Wird nun auf das Denken selber reflektiert, dann birgt das notwendig die Konsequenz, daß die Verstandesbegriffe und mit ihnen letztlich das ganze Wissen aus dem Subjekt abgeleitet wird.

"Die Erkenntnistheorie, die sich so reflektiert und so unnaiv vorkommt, macht sich an dieser Stelle wirklich das Allernaivste zu eigen, nämlich, daß das Nächstliegende, also was der Ordnung der Erfahrung zunächst einmal kommt, auch der Sache nach eine Art absolute Priorität innehätte ... Das Nächste, die Tatsache also, daß ich in meiner Erfahrung anhebe mit mir selbst, macht diese unmittelbare Erfahrung keineswegs zu einer an sich ersten und zu einer an sich alles andere tragenden. Nun aber verfährt man so, als ob man auf der einen Seite dies Nächste hätte, also mit anderen Worten an der Unmittelbarkeit der individuellen Erfahrung, als an dem Rechtsgrund der Erkenntnis festhalten könnte..." 104)

Adorno kritisiert hier nicht mehr Kant mit den Argumenten Hegels, sondern die erkenntnistheoretische Suche nach der sicheren Basis der Erkenntnis an ihrer Konsequenz; nicht nach dem Fehler in der Frage, sondern nach der Unhaltbarkeit ihrer Antwort:

"Sie können vielleicht jetzt verstehen, woher das eigentlich rührt, nämlich dadurch, indem das absolut Gewisse in das Subjekt verlegt wird, und alles, was an Inhalt dem Subjekt zukommt, als gewissermaßen vorphilosophisch oder der Philosophie unwürdig abgewiesen wird, dadurch kommt dann eigentlich zustande, daß nur das ganz Leere, das Nichtige als Gegenstand der Philosophie überhaupt übrig bleibt."

"Zum zweiten möchte ich Ihnen noch sagen, daß der entscheidende Verlust, den die Erkenntnistheorie dem nicht Erkenntnistheoretischen, Spekulativen zufügt, der ist, daß sie prinzipiell die Erkenntnis eigentlich in eine Tautologie verwandelt. Es gibt für die konsequente Erkenntnistheorie eigentlich überhaupt keine Erkenntnis. Das läßt sich auf folgende Weise verhältnismäßig deutlich machen: wenn Sie einen Gegenstand erkennen, dann ist der Sinn der Erkenntnis dieses Gegenstands ja gerade der, daß Sie hinausgehen wollen über dieses bloße Beisichselbersein, von dem ich Ihnen gesprochen habe. Nun aber ist es in der erkenntnistheoretischen Position so, daß grob gesprochen und übertreibend, das Objekt, also gerade das Neue, was hinzugefügt werden soll, selber zum Subjekt wird, so wie es in der Kantischen Philosophie in dem berühmten Satz ausgesprochen ist, daß der Geist der Natur die Gesetze vorschreibt." 105)

Adorno begnügt sich nicht mit dieser richtigen Konsequenz der Suche nach dem festen Halt des Denkens jenseits seiner selbst, er denkt die Logik der Suche nach dem Ersten noch weiter und löst das Subjekt der Erkenntnis auf. Adorno macht Ernst mit der Skepsis, der sich diese ganze Suche nach dein festen Grund des Denkens ja verdankt, und fragt sich, ob es denn mit der Einheit des Bewußtseins so eine sichere Sache sei:

"Das Prinzip des Ichs kommt also bei Kant in einem viel emphatischeren Sinn in die Philosophie herein... Nun kommen Sie aber sofort in sehr große Schwierigkeiten herein. Denn gerade der Empirismus hatte ja nachgewiesen in Hume, daß das Ich, mit den es die Psychologie zu tun hat, eigentlich nichts Substantielles ist, daß es nichts Sicheres, nichts Festes ist, worauf man sich beziehen kann. Sondern daß es in nichts anderem besteht, als in den Formen der Verkettung von Erlebnissen. " 106)

Dadurch wird die Einheit des Bewußtseins "bloß empirisch"; und Adorno mag zugestehen, daß sie im Fall der Erkenntnis vorliegt, vermißt aber dann das Prinzipielle, das sichere Erste: es könnte doch auch sein, daß das Ich gar kein Selbstbewußtsein ist. 107) Wie er die subjektive Seite der Erkenntnis auflöst, sobald sie von den Erkenntnistheoretikern als die sichere Basis des Denkens präsentiert wird, so wendet er sich auch gegen die andere, das Objekt. Er nimmt die Präsentation des "Konstitutionsproblems" gegen die Erkenntnistheoretiker ernst und beweist ihnen, freilich gar nicht ironisch, daß mit der Methode des Hinterfragens alles in Zweifel gezogen werden kann. Das Objekt, sagt Husserl, ist für das Denken, genauer zunächst die Wahrnehmung, einfach eine Gegebenheit; ob die freilich ein Erstes ist, bezweifelt Adorno doch ernsthaft: Dadurch, daß sich die Wahrnehmung auf etwas richtet, wird es doch in das Subjekt "vermittelt".

"Indem das Vermittelte, durch die Intention bereits Gedachte, bloß hingenommen werden soll, wird der Begriff der unmittelbaren Gegebenheit total: Wahrnehmung Wissen von etwas, dies Wissen zum primären, irreduktiblen Tatbestand des Bewußtseins und die wahrgenommene Dingwelt gleichsam zum radikal Ersten." 109)

Adorno denkt also die Logik der Skepsis radikal zu Ende und hat dafür eine Denkmethode entwickelt, die ähnlich der "reziprokem Kritik von Besonderem und Allgemeinem" die Argumente der "Ursprungsphilosophie" immer zu "schlagen" erlaubt; im Unterschied zur Kritik des Besonderen und des Allgemeinen vom jeweils anderen Standpunkt aus trifft diese Kritik Adornos das Dilemma der Ursprungsphilosophie tatsächlich. Adorno nimmt also das Problem der Konstitution 110) sehr ernst, er begibt sich selber mit auf die Suche nach dem, was dem Bewußtsein sicher gegeben sein könnte, bzw. nach dem, was das Bewußtsein von sich aus als sicher zu setzen in der Lage wäre. Gegen jeden Vorschlag derartiger Sicherheiten weiß er aber eben das einzuwenden, was der Vorschlag will: da wird ein Erstes gesetzt; da herrscht Sicherheit, da gibt es den Deduktionspunkt, dessen Findung doch die ganze Suche gewidmet war. Adornos Argument dabei ist stets, daß dieses Erste doch selber nicht vom Himmel gefallen sein kann, also auch (theoretisch oder praktisch) schon ein Vermitteltes ist, als solches aber gerade kein Erstes. Der Beweis für die Seite der theoretischen Vermittlung gelingt trivialerweise immer:

"Zur Kritik steht der Begriff des absolut Ersten selber. ... Es geht um Begriffe und Legitimation eben solcher Begründungen, nicht um die inhaltlich wie sehr auch immer wechselnde These, was nun der letzte Grund sei.

"In dem als philosophisch Erstem behaupteten Prinzip soll schlechthin alles aufgehen, gleichgültig, ob dies Prinzip Sein heißt oder Denken, Subjekt oder Objekt, Wesen oder Faktizität. Das Erste der Philosophen erhebt totalen Anspruch: es sei unvermittelt, unmittelbar. ... Aber ein jegliches Prinzip, auf welches Philosophie als auf ihr erstes reflektieren kann, muß allgemein sein, wenn es nicht seiner Zufälligkeit überführt werden will. Und ein jegliches allgemeines Prinzip eines Ersten, wäre es auch das der Faktizität im radikalen Empirismus, enthält in sich Abstraktion. ... Als Begriff ist das Erste und Unmittelbare allemal vermittelt und darum nicht das Erste." 111)

Ferner wird das Erste durch die notwendige Abstraktheit immer inhaltsleerer, so daß es sich dem "analytischen Urteil" annähert.112) Aber Adorno nimmt das Konstitutionsproblem gar nicht einfach als die Grundfrage der Erkenntnistheorie, die als Bedingung der Möglichkeit sicherer Erkenntnis einen zuverlässigen archimedischen Punkt jenseits der Argumente und ihrer Notwendigkeit sucht, sondern er nimmt die Frage gleich praktisch: Das Subjekt der Erkenntnis, die Einheit des Bewußtseins, die Kategorien der Erfahrung, alles das muß doch auch irgendwie geworden sein, auch das darf nicht nur als Bedingung der Möglichkeit von Wissenschaft wie bei Kant, sondern praktisch keinesfalls unproblematisch vorausgesetzt werden. Während Kant die transzendentalen Bedingungen der Erkenntnis nennt und nicht die geringste Mühe aufwendet, um einerseits zu zeigen, daß diese Bedingungen erfüllt sind - denn sie sind ja in der von ihm zum Vorbild genommenen Wissenschaft erfüllt - und um andererseits zu zeigen, daß oder wie diese Bedingungen hergestellt wurden - denn er wollte ja nicht die Genese, die "historische und gesellschaftliche Vermittlung" der Einheit des Bewußtseins darstellen -treibt Adorno die Skepsis über das bloß theoretische Feld hinaus, fragt nicht nur nach den Bedingungen der Konstitution einer Sache für mein Bewußtsein, sondern nach der Konstitution des einheitlichen Bewußtseins einerseits und der Dinglichkeit der Dinge andererseits an und für sich.

"Zugleich kann jedoch die erkenntnistheoretische Analyse des Unmittelbaren dessen eigenes Vermitteltsein nicht wegerklären. Das motiviert die dialektische Logik, welche solchen Widerspruch zur Bestimmung der Sache selbst erhebt, also den Begriff des Unmittelbaren festhält sowohl wie negiert." 113)

Damit wird der Übergang gemacht zur Theorie der realen Konstitution des Erkenntnissubjekts wie seiner Objekte als der Bedingung ihrer möglichen Erkennbarkeit. Hier ist der Knotenpunkt von Erkenntnistheorie und Gesellschaftstheorie, deren Zusammenfallen von der Sekundärliteratur wohl bemerkt und kritisiert, aber an keiner Stelle aus dem Fehler sowie der konsequenten Fortführung der Erkenntnistheorie über ihren eigentlichen Bereich hinaus erklärt wird. Hier ist also der Punkt erreicht, wo Adorno den Übergang dazu macht, was Habermas überhaupt zum Prinzip Frankfurter Erkenntniskritik erklärt hatte: "Erkenntnistheorie als Gesellschaftstheorie" 115)

Daß damit die ganze erkenntnistheoretische Problematik nicht kritisiert ist, sondern im strengen Sinn ad absurdum geführt wurde, mag am Rande angemerkt sein. Nicht nur ergibt sich nun unter der Voraussetzung einer erst noch zu leistenden Rechtfertigung der Kategorien der Erkenntnis der Zirkel, daß diese durch eine Gesellschaftskritik, die ja wohl auch Theorie sein muß, also den erst zu rechtfertigenden Kategorien vorweg gehorchen muß, begründet werden sollen; mehr noch, die Thematik der Erkenntnistheorie wird durch den Übergang von der Konstitution einer Sache für mein Bewußtsein zu der Konstitution der Sache an sich im Grunde aus der Diskussion herausgekürzt und auf die wahrhaft triviale "Einsicht" heruntergebracht, daß es eine Sache schon praktisch geben muß, damit sie meinem Bewußtsein gegeben sein kann.

5. Zusammenfassung

- Adorno ist Erkenntnistheoretiker, indem er das Verhältnis des Denkens zur Wirklichkeit als den Prüfstein und die Vorbedingung zuverlässiger Erkenntnis diskutiert. Insofern kann er sich auf Kant berufen. Im Unterschied zu Kant freilich, der exakt zwischen transzendentalen Überlegungen über die Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis und empirischen Vernunftgebrauch unterschied, nimmt es Adorno mit dieser Distinktion nicht so genau. Dies deshalb, weil ihm von vornherein aller Vernunftgebrauch als Philosophie erscheint. Er nimmt absolut jede Wissenschaft und jede Erforschung empirisch gegebener Dinge als Ableitung dieser Einzelheit aus allgemeinsten Prinzipien. In seiner Sichtweise, die Philosophie und Wissenschaft nicht unterscheidet, verwechselt er die Erklärung einer Sache aus ihrem Zweck mit einer Ableitung derselben aus einem universellen Grund aller Dinge; daher auch Theorie mit Legitimation. Hegels Diktum, daß Philosophie Wissenschaft zu sein habe, nimmt Adorno - und zwar gar nicht gegen Hegel - nach der von Anfang an implizierten Umkehrung hin: alle Wissenschaft habe zugleich Philosophie zu sein. Also liest er jede Theorie, die eine Sache nach ihrer Notwendigkeit darstellt, die also ihren Zweck oder Grund nennt, als Darstellung der Sache als einer an und für sich notwendigen und damit per se vernünftigen. Adorno nimmt so sehr jede Theorie als Philosophie, daß er sogar Theorien, die keinerlei Versuch einer Ableitung merken lassen, als solche nimmt: als welche, die "bloß" objektiv seien und damit die Wirklichkeit zum Maßstab der Bewertung machten. Erst hier setzt seine Kritik der Philosophie ein; ganz auf dem Boden der philosophischen und damit rechtfertigenden Besprechung der Dinge kritisiert Adorno das Ge1ingen des Ableitungsversuchs. Er meint, daß die Deduktion aller Einzelheit aus einem Universalprinzip nicht funktionieren könne, und kritisiert Wissenschaft als das Resultat einer falschen Selbsteinschätzung philosophischen Denkens.

- Erst aus dieser Sicht des Denkens als Philosophie erklärt sich dann Adornos erkenntnistheoretisches Urteil: Weil sich nicht jedes Ding aus einem Urprinzip deduzieren läßt, darf das - offenbar weiterhin aus Urprinzipien deduzierende - Denken nicht meinen, es habe die Sache begriffen; als ob Begreifen einer Sache und ihre Deduktion aus Anderem überhaupt etwas miteinander zu tun hätten. An dieser Stelle wird die "Selbstkritik der Philosophie", die doch Philosophie bleiben und nicht Wissenschaft werden soll, zur Aufgabe.

"Nachdem Philosophie das Versprechen, sie sei eins mit der Wirklichkeit ... brach, ist sie genötigt, sich selber rücksichtslos zu kritisieren."

Hier wird Hegel, der philosophische Vertreter der Objektivität des Denkens, mit Kant kritisiert, dessen unüberwindliche Kluft zwischen Subjekt und Objekt zum Anliegen allen Philosophierens erhoben wird. Allerdings verdankt sich Adornos Bezug auf Kant einem Interesse, das dem Kantischen gerade entgegengesetzt ist: Hatte Kant überlegt, wie Metaphysik als Wissenschaft möglich sei, so fragt und sagt Adorno, wie Wissenschaft als Metaphysik zu treiben sei.

- Das Denken als eine gegen seine eigene Möglichkeit skeptische Metaphysik ist nun der einzige Einwand gegen die Harmonie stiftende Subsumtion der Realität unter abstrakte Allgemeinheiten. Damit besteht die Kritik des affirmativen Denkens in einer an seinem Erfolg. Adorno kritisiert nicht das Anliegen oder die Argumente dieser Denkart, sondern das Erreichen ihres Ziels. Er fordert, daß umgekehrt das Denken gerade darin kritisch zu sein habe, daß es in diesem Rechtfertigungsversuch scheitert.

Von dieser Forderung aus kritisiert er auch die Erkenntnistheorie, da diese ja ihrerseits den Versuch unternimmt, die Erkenntnis - und sei es als bloß subjektive - zu rechtfertigen. So wenig aber wie auf der materialen Ebene kritisiert Adorno auf der erkenntnistheoretischen die Fragestellung, sondern auch hier nur das Gelingen der Antwort. Jetzt kann er Argumente Hegels gegen Kant zur Anwendung bringen. Aller Nachweis vom Zirkel, endlosen Regress und der notwendigen Leere der erkenntnistheoretisch bestimmten Momente der Erkenntnis (das reine Ich, das Ding-an-sich und die leeren Kategorien) dient Adorno dazu zu zeigen, daß "mitten im Denken der Gedanke sistiert" wurde, daß ein Erstes gefunden wurde, das doch selber vermittelt ist. Daraus schließt er, daß die erkenntnistheoretische Frage, wie Habermas es explizit formuliert, zu radikalisieren, die erkenntnistheoretischen Kategorien selber noch auf ihre Konstitution hin zu hinterfragen seien. So macht er den Übergang zur Frage nach der Konstitution von Subjekt und Objekt nicht für das Bewußtsein, sondern an sich; freilich auch hier mit dem Gebot, ein abschließendes Urteil nicht zu fällen. Die Betrachtung dieser Überlegung zerfällt in a) die angewandte Methode des Hinterfragens des "scheinbar Unmittelbaren", die "Begriffe und Kategorien der Negativen Dialektik", und b) die Antwort auf die Suche nach dem Ersten.

Anmerkungen: Erkenntnistheorie

1) Th. W. Adorno, Vorlesung zur Einleitung in die Erkenntnistheorie, vom WS 1957/58 (Junius-Drucke) Ff./M. (im folgenden: Erkenntn.Th.), S. 177.

2) So wurde die Grundfrage der Erkenntnistheorie von Karl Marx formuliert; siehe: Thesen zu Feuerbach, 2. These; in: Marx-Engels-Werke (im folgenden: MEW) Bd. 3, Berlin (Ost) 1973, S. 5.

3) Th. W. Adorno,. Negative Dialektik, Ff./M. 1966 (im folgenden: ND), S. 379.

4) ND, S. 24

5) Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Stuttgart 1966 (im folgenden: Kr.d.r.V.) immer zitiert nach der Paginierung B; B XIV f.

6) In dieser Bestimmung der Indizien dafür, daß die Metaphysik nicht den sicheren Gang einer Wissenschaft geht, unterscheidet sich Kant auffällig von modernen Auffassungen über die Wissenschaft. In diesem Unterschied dokumentiert sich, daß Kant trotz seiner Skepsis bezüglich der Erkenntnis geistiger Gegenstände und im Gegensatz zu heutigen Erkenntnistheoretikern sich noch Gedanken zutraute. Während Karl Popper im end- und erfolglosen "bloßen Herumtappen" gleich ein unverzichtbares Merkmal von Wissenschaftlichkeit sehen will, da diese ja immer von der Irrtumsmöglichkeit her die Irrtumsgewißheit sich zu Herzen nehmen solle, nimmt Jürgen Habermas die Äußerung des Mangels an wirklichem Wissen, die Vielfalt widerstreitender Auffassungen für den Mangel der Wissenschaft selber und meint, durch die Herstellung intersubjektiver Meinungen, durch die Bildung von Konsens, das allseitige bloße Meinen zum Wissen erheben zu können.

Siehe: Karl Popper, Objektive Erkenntnis, Ein evolutionärer Entwurf (Aus dem Englischen von H. Vetter), Hamburg 1973, S. 95 und passim.

Jürgen Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz; in: Habermas/Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Theorie- Diskussion, Ff./M. 1971, S. 101 ff.

7) Hegel wendet gegen Kants notwendige Antinomien im Beweise Gottes folgendes:

"Kämen solche Bestimmungen der Welt, Gott, den Freien zu, so wäre objektiver Widerspruch vorhanden; dieser Widerspruch ist aber nicht an und für sich vorhanden, sondern kommt nur uns zu: er hat seine Quelle allein in unserem Denken. ... So ist aber der Widerspruch nicht aufgelöst; er besteht vor wie nach. Das ist zuviel Zärtlichkeit für die Dinge; es wäre schade, wenn sie sich widersprächen. Daß aber der Geist (das Höchste) der Widerspruch ist, das soll kein Schade sein. ... Die wahrhafte Auflösung geht auf den Inhalt, daß die Kategorien keine Wahrheit an ihnen haben..."

G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Bd. III (Reclam), Leipzig 1971, S. 514 f.

8) Kant, a.a.O., B 23.

9) Hegel weist darauf hin, daß die Kantische Philosophie nur eine neue Interpretation der in der Wissenschaft auftretenden Formen von Allgemeinheit und Notwendigkeit ist - sie fügt diesen nichts hinzu und nimmt ihnen nichts:

"Daß sich in der Erkenntnis die Bestimmungen der Allgemeinheit und Notwendigkeit finden, dies Faktum stellt der Humesche Skeptizismus nicht in Abrede. Etwas anderes als ein vorausgesetztes Faktum ist es in der Kantischen Philosophie auch nicht; man kann nach der gewöhnlichen Sprache in den Wissenschaften sagen, daß sie nur eine andere Erklärung jenes Faktums aufgestellt habe."

Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Bd. 1, in: Hegel Werkausgabe, Hrsg. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel (im folgenden: WW), Bd. 8, § 40 Zusatz, Ff./M. 1970, S. 113.

10) Kant, a.a.O., B VII.

11) Hegel, Enz. 1, § 41, WW8, S. 113. siehe auch:

"Kant nennt nun seine Philosophie deshalb Transzendentalphilosophie, d.h. ein System der Prinzipien der reinen Vernunft, d.h. der Prinzipien, die das Allgemeine und Notwendige in dem selbstbewußten Verstande aufzeigen, ohne sich mit den Gegenständen zu beschäftigen noch zu untersuchen, was Allgemeinheit und Notwendigkeit sei."

ders., Gesch.d.Phil. Bd. III, S. 490.

12) ders., Enz. I, WW 8, § 41 mündlicher Zusatz 1, S. 114.

13) Auf den Fehler dieser Frage hat der Hegel-Schüler Marx mit seiner oft mißverstandenen 2. These über Feuerbach hingewiesen:

"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme - ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens - das von der Praxis isoliert ist - ist eine rein scho1astische Frage."

Karl Marx, Thesen über Feuerbach, MEW Bd. 3, S. 5. Entgegen dem universellen Mißverständnis des sogenannten orthodoxen Marxismus formuliert Marx hier nicht die Praxis als Kriterium der Wahrheit. (Zu dieser Auffassung siehe: W. I. Lenin, Materialismus und Empiriokritizismus, in: Lenin Werke, Berlin (Ost) 1973, Bd. 14, S. 137; sowie: G. Klaus/M. Buhr (Hrsg.), Philosophisches Wörterbuch, Leipzig 1975, Stichwort 'Praxis', S. 966 ff.) Marx unterscheidet lediglich eine innertheoretische Frage von einer, die das Denken nichts angeht. Jede einzelne Theorie beweist ihre Wahrheit durch die Schlüssigkeit, d.h. Notwendigkeit ihrer Argumente - nach diesem Grundsatz hat sich Marx auch praktisch verhalten, der er sein Leben lang andere Theorien theoretisch kritisierte. Die Frage aber, ob das Denken überhaupt Wirklichkeit habe, ist keine Frage, die sich das Denken stellen oder gar beantworten kann, ohne sich selbst zu widersprechen; denn es fragt sich doch, ob dann die Frage selbst Wirklichkeit hat, bzw. mit welchen Argumenten bewiesen werden soll, daß mit Argumenten wirkliche Verhältnisse bewiesen werden können. Die "Macht" des Denkens beweist sich freilich nur in der Praxis.

14) In der Philosophie des 20. Jahrhunderts hat es zwei bemerkenswerte Wendungen dieses Hegelschen Arguments gegeben, von denen sich das hier vertretene Verständnis abgrenzt. Ob mit Kenntnis der Hegelschen Kantkritik oder nicht hat Ludwig Wittgenstein auch vom "Grenzen"-Argument Hegels Gebrauch gemacht. Auch er hat bemerkt, daß es einen Widerspruch macht, über die Grenzen unserer Erkenntnis reden zu wollen, weil man mit dem Wissen um die Grenzen über sie schon hinaus ist, bzw. umgekehrt: weil man ohne Bezugspunkt außerhalb unserer Erkenntnis (Sinne, Erfahrung, Bewußtsein) keine Veranlassung hat, eine Beschränktheit oder Unangemessenheit des Denkens gegenüber allen möglichen Objekten zu behaupten. Eigentümlicherweise schließt Wittgenstein aus diesem Argument nun aber nicht, daß Mißtrauen in das Denken und Sprechen unbegründet ist, sondern umgekehrt, daß es sogar außerordentlich begründet sei, man es aber nicht sagen könne; daß ihm die Instanz der Kritik der Erkenntnis fehlt, läßt ihn nicht sein Mißtrauen in es vergessen, sondern an der Möglichkeit seiner Betätigung verzweifeln:

"Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt. Die Logik erfüllt die Welt; die Grenzen der Welt sind auch ihre Grenzen. Wir können also in der Logik nicht sagen: Das und das gibt es in der Welt, jenes nicht. Das würde nämlich scheinbar voraussetzen, daß wir gewisse Möglichkeiten ausschließen und dies kann nicht der Fall sein, da sonst die Logik über die Grenzen der Welt hinaus müßte: wenn sie nämlich diese Grenzen auch von der anderen Seite betrachten könnte. Was wir nicht denken können, das können wir nicht denken; wir können also auch nicht sagen, was wir nicht denken können.

Diese Bemerkung gibt den Schlüssel zur Entscheidung der Frage, inwieweit der Solipsismus eine Wahrheit ist. Was der Solipsismus nämlich meint, ist ganz richtig, nur läßt es sich nicht sagen, sondern es zeigt sich."

Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Ff./M. 1968, S. 89 f.

Der Kantkritik zuwider läuft m.E. auch die Auffassung der Frankfurter Schule, besonders von Jürgen Habermas besprochen, daß Hegels Argument gegen den Skeptizismus der erkenntnistheoretischen Reflexion nur auf Basis einer "identitätsphilosophischen Vorentscheidung" formuliert werden kann. Obwohl die schlagende Stelle aus der Phänomenologie zitiert wird, meint Habermas nicht, daß die Erkenntniskritische Skepsis, von Hegel als Grund der Differenz von Wissen über das Objekt und Objekt nachgewiesen, fallengelassen werden sollte, sondern, daß die Übereinstimmung von Denken und Sache erst durch die jene Differenz hervorbringende Reflexion unter Beweis zu stellen wäre: Hegel habe nur "vermeint', die "Erkenntniskritik als solche zu überwinden. Diese Meinung schleicht sich ein, weil Hegel von Anbeginn eine Erkenntnis des Absoluten als gegeben unterstellt, deren Möglichkeit doch auch und erst recht nach Maßstäben einer radikalisierten Erkenntniskritik noch zu erweisen wäre."

Jürgen Habermas, Erkenntnis und Interesse, Ff./M. 1968, S. 18. Dagegen aber behält die von Habermas zitierte Hegelstelle allemal recht:

"Inzwischen, wenn die Besorgnis, in Irrtum zu geraten, ein Mißtrauen in die Wissenschaft setzt, welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werk selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht abzusehen, warum nicht umgekehrt ein Mißtrauen in dieses Mißtrauen gesetzt und besorgt werden soll, daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist. In der Tat setzt sie etwas und zwar manches als Wahrheit voraus und stützt darauf ihre Bedenklichkeiten und Konsequenzen, was selbst vorher zu prüfen ist, ob es Wahrheit sei."

Hegel, Phänomenologie des Geistes, ed. Hoffmeister, Hbg. 1952, S. 64 f.

Hier bricht Habermas' Zitierung ab, denn er hat mit dem letzten Halbsatz einen Beleg dafür, daß auch Hegel Voraussetzungen kennt, die zuerst zu prüfen seien, ehe man sich ans Erkennen macht. Hätte er weiter zitiert, dann hätte er eben diesen Fehler als die Voraussetzung der Erkenntnistheorie gefunden, von dem Hegel dann abschließend sagt:

"...wodurch das, was sich Furcht vor dem Irrtume nennt, sich eher als Furcht vor der Wahrheit zu erkennen gibt." a.a.O., S. 65

15) Hegel, Enz. 1, WW 8, § 60, Zusatz, S. 143 f.

16) Hegel, Vorl. über die Geschichte der Philosophie, Bd. III, a.a.O. S. 648.

Hegel hatte selber die Notwendigkeit der Prüfung von Gedankenbestimmungen hervorgehoben, freilich nicht als Voraussetzung, als Bedingung der Möglichkeit von Wissenschaft, sondern als Teil von ihr, der eben Klarheit in die angewendeten Formen des Denkens bringt, der diese also nicht konstituiert:

"Hierin (im Ansatz der Kantischen Philosophie, P.D.) liegt allerdings das Richtige, daß die Formen des Denkens nicht ununtersucht gebraucht werden, aber dieses Untersuchen ist selbst schon ein Erkennen. Es muß also die Tätigkeit der Denkformen und ihre Kritik im Erkennen vereinigt sein. Die Denkformen müssen an und für sich betrachtet werden, sie sind der Gegenstand und die Tätigkeit des Gegenstands selbst."

Hegel, Enz. 1, WW 8, § 41 Zusatz 1, S. 114.

Das Erkennen des Erkennens hat ebenso wie das der Ökonomie einen wirklichen, gegebenen Gegenstand - eben unser Denken, das wir auch ohne Logik tun und dessen eigene Gesetze bei der Erklärung profaner Gegenstände längst und auch ohne getrennte Erforschung des Denkens unabhängig vom besonderen Inhalt Geltung haben und beachtet werden. Als Voraussetzung des Denkens wäre die Wissenschaft vom Denken absurd:

"Daß man durch sie (die Logik, P.D.) denken 1erne was sonst für ihren Nutzen und damit für den Zweck derselben galt, - gleichsam als ob man durch das Studium der Anatomie und Physiologie erst verdauen und sich bewegen lernen sollte, - dies Vorurteil hat sich längst verloren..."

Hegel, Wissenschaft der Logik, ed. Lasson, Bd. 1 (im folgenden: Logik 1), Hbg. 1967, S. 4.

17) Kant bezeichnet diese Differenz selbst durch die Unterscheidung des empirischen und des transzendentalen Vernunftgebrauchs. Letzterer darf die Grenzen der möglichen Erfahrung überfliegen, ohne transzendent zu werden, weil er die Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung aufsucht.

18) Hegel, Logik 1, S. 52 f.

19) Der Unterschied von Kraft und Äußerung ist ein rein formeller, keiner des Inhalts. Die Analyse beider Bestimmungen zeigt sie als sich ergänzende Seiten eines Verhältnisses, in dem der gleiche Inhalt einmal als ein Inneres und einmal als ein Äußeres bestimmt ist. Dabei verweist jede der zusammengehörigen Seiten auf die andere: Die Kraft auf die Äußerung als auf ihre Wirklichkeit, und die Äußerung auf die Kraft als ihr Wesen. Ich weiß also nicht mehr über eine empirisch vorfindliche Sache, wenn ich sie als Äußerung eines Triebs oder Betätigung eines Vermögens dazu bestimme; ich versichere nur tautologisch, daß ich die Äußerung als Wirkung von etwas Innerem ansehen will. Siehe dazu: Hegel, Wissenschaft der Logik, Bd. II, ed. Lasson, Hbg. 1969 (im folgenden: Logik II), S. 144 ff., insbesondere S. 150.

20) Hegel, Gesch. d. Phil. III, S. 520 f.

21) a.a.O., S. 488.

22) a.a.O., S. 491.

23) ders., Enz. 1, § 41, S. 113.

24) ders., Gesch. d. Phil. III, S. 48S.

25) a.a.O., S. 486.

26) a.a.O., S. 484.

27) Diese Verkehrung von menschlichem Zweck und Mittel weist Marx etwa bei der Lohnarbeit nach. Der Lohnarbeiter benutzt seine Arbeit als sein Lebensmittel: "Aber, was das Wesentliche ist, der Zweck des Austauschs für ihn ist die Befriedigung seines Bedürfnisses." An sich ist sein Leben Mittel der Verausgabung von Arbeit:

"Statt ihre Verwunderung dahin zu richten - und es dem Arbeiter als ein großes Verdienst des Kapitals anzurechnen, daß er überhaupt lebt, also bestimmte Lebensprozesse täglich wiederholen kann, sobald er sich ausgeschlafen und sattgegessen hat - hätten die schönfärbenden Sykophanten der bürgerlichen Ökonomie ihr Augenmerk vielmehr darauf richten sollen, daß er nach stets wiederholter Arbeit immer nur seine lebendige, unmittelbare Arbeit selbst auszutauschen hat. Die Wiederholung ist in fact nur scheinbar. Was er austauscht gegen das Kapital, ist seine ganze Arbeitsfähigkeit, die er, say, in 20 Jahren ausgibt."

Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Moskau 1939, S. 195/201.

Die praktische Angewiesenheit auf Arbeit, bisweilen auch Zwang, läßt den Lohnarbeiter die Vermehrung des Kapitals praktisch als sein Mittel ergreifen. Geschieht dieser theoretische Fehler der Praxis in der Theorie, so liegt die Legitimation schädlicher Verhältnisse vor.

28) Hegel, Gesch. d. Phil. III, S. 483.

29) Es wird in späteren Kapiteln noch zu zeigen sein, daß Adornos Kritiken an Einzelwissenschaften auf Basis dieses erkenntnistheoretischen Konzepts durchgeführt werden - also unter einer vorweg gewählten Zielsetzung. Keinesfalls verhält es sich umgekehrt, daß eine unbefangene Untersuchung der Einzelwissenschaft zu Kritik und dadurch zu dieser Konzeption der Erkenntnistheorie geführt hätte.

30) Man kann zum Beispiel nicht umhin, es schon für eher komisch zu halten, wenn Adorno für die Differenz von Denken und Objekt Größenverhältnisse angibt:

"Die begrifflichen Gehäuse, in denen, nach philosophischer Sitte, das Ganze sollte untergebracht werden, gleichen angesichts der unermeßlich expandierten Gesellschaft ... Überbleibseln der einfachen Warenwirtschaft inmitten des industriellen Spätkapitalismus."

ND, S. 13.

31) Adorno, ND, S. 1S.

32) Adorno, ND, S. 42.

33) Auf solche Beispiele rekurriert wohl Wulff Rehfus, wenn er bemerkt:

"Adorno grenzt sich ständig gegen die eigenen Mißverständnisse ab und formuliert dann unter neuer Bezeichnung das, was mit dem, wovon er sich absetzt, schon immer gedacht wurde ... Er baut nicht vorhandene Frontstellungen auf und bekämpft seine eigenen Fehlinterpretationen. Er schlägt sich mit dem selbst erzeugten Popanz herum."

Wulff Rehfus, Die Rekonstruktion der Wahrheit aus der Ästhetik, Dissertation Phil. Fak. d. Universität Köln 1976, S. 15.

34) So äußert sich Hegel sehr lobend über diese Seite des Empirismus:

"Es liegt im Empirismus dies große Prinzip, daß, was wahr ist, in der Wirklichkeit sein und für die Wahrnehmung da sein muß. Dies Prinzip ist dem So11en entgegengesetzt, womit die Reflexion sich aufbläht und gegen die Wirklichkeit und Gegenwart mit einem Jenseits verächtlich tut, welches nur in dem subjektiven Verstande seinen Sitz und Dasein haben soll. Wie der Empirismus, erkennt auch die Philosophie nur das, was ist; sie weiß nicht solches, was nur sein soll und somit nicht da ist."

Hegel, Enz. 1, § 38 Zusatz, S. 108.

35) Hegel, Logik 1, S. 25 f.

36) Adorno, ND, S. 150.

37) a.a.O., S. 42 f.

38) a.a.O., S. 150.

39) Adorno, Philosophische Terminologie, Bd. 1, Ff./M. 1973 (im folgenden: PhilTerm) S. 88

40) Wenn Hegel sagt: "was wir bloß meinen, das können wir nicht sagen", dann zielt er nicht auf einen Rest von Einzelheit am Objekt, der nicht begrifflich zu bestimmen sei, sondern darauf, daß, wer so meint, ja gar nichts weiß, was nicht in Begriffe gepaßt hätte, daß also die Dignität der unmittelbaren Beziehung zur Sache, des Meinens, gegenüber dem Wissen selber eine bloß gemeinte ist:

"Sie meinen also wohl, dieses Stück Papier das hier ein ganz anderes als das obige ist; aber sie sprechen 'wirkliche Dinge äußere oder sinnliche Gegenstände, abso1ut einze1ne Wesen' usf., d.h. sie sagen von ihnen nur das Allgemeine; daher, was das Unaussprechliche genannt wird, nichts anderes ist als das Unwahre, Unvernünftige, bloß Gemeinte."

Hegel, Phänomenologie des Geistes, ed. Hoffmeister, Hamburg 1952 (im folgenden: Phän.), S. 88.

41) Adorno, ND, S. 24.

42) a.a.O., S. 147.

43) Die Genese eines Standpunkts ist zwar kein Argument innerhalb seiner Systematik, es mag aber doch nützlich sein, daran zu erinnern, daß Adorno diese Auffassung von der prinzipiellen Äußerlichkeit der Denkbestimmungen gegen die Objekte von seiner Neukantischen Ausbildung her vom Anfang seiner philosophischen Anstrengungen aus übernommen hatte. Zusammen mit Horkheimer promovierte und habilitierte (Adorno mit einer ersten Arbeit, die zurückgewiesen wurde) er bei Hans Cornelius. Dieser hatte in einem Kant-Kommentar zwar sehr treffend die Grenzbestimmung des Dings-an-sich kritisiert, dann aber die Frage, wie es angesichts der Einzelheit der Erfahrung zu Allgemeinheit und Notwendigkeit komme, mit der Induktion beantwortet, ein Verfahren, von dem Kant schon bemerkte, daß aus häufiger Gesetzlosigkeit keine Regel folge. Siehe dazu: Hans Cornelius, Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft, Erlangen 1926, S. 14 und S. 23.

Da auf diese Weise das Außereinander von allgemeinen Gedanken und einzelnen Objekten nicht überwunden war, dachte Cornelius das Allgemeine getrennt vom Besonderen und griff dazu auf die Gestaltpsychologie zurück. Damit aber entsteht eben der Widerspruch, der bei Adorno aufgezeigt wurde.

Aufschlußreich für die Klärung der Wurzeln der kritischen Theorie sind besonders Max Horkheimers Arbeiten bei Cornelius: Zur Antinomie der teleologischen Urteilskraft, Diss. Univ. Frankfurt 1923; und: Über Kants Kritik der Urteilskraft als Bindeglied zwischen theoretischer und praktischer Philosophie, Habilitationsschrift, Univ. Frankfurt 192S.

Siehe auch: Carlo Pettazzi, Ricerche sulla formazione del pensiero filosofico di Adorno, Diss. Universita Statale di Miliano 1973.

44) Hegel, Gesch. d. Phil. III, S. 520.

45) a.a.O., S. 519 f.

46) Adorno, ND, S. 13.

47) a.a.O., S. 24.

48) a.a.O., S. 147.

49) a.a.O. S. 154

50) a.a.O., S. 15.

51) a.a.O., S. 149.

52) a.a.O.

53) Adorno, ND, S. 15.

54) "Über jenes Resultat vom Erkennen kann noch die weitere Bemerkung angeschlossen werden, daß die Kantische Philosophie auf die Behandlung der Wissenschaften keinen Einfluß hat haben können. Sie läßt die Kategorien und die Methode des gewöhnlichen Erkennens ganz unangefochten. Wenn in wissenschaftlichen Schriften damaliger Zeit zuweilen der Anlauf mit Sätzen der Kantischen Philosophie genommen ist, so zeigt sich im Verfolge der Abhandlung selbst, daß jene Sätze nur ein überflüssiger Zierat waren und derselbe empirische Inhalt aufgetreten wäre, wenn jene etlichen Blätter weggelassen worden wären."

Hegel, Enz. 1, § 60 Zusatz, S. 144 f.

55) Adorno, ND, S. 53.

56) Wie viele Arbeiten, die versuchen, Adornos Gedankengang weniger kritisch offenzulegen als "verständlich" zu machen, operiert auch Thomas Mirbach mit dem ständigen Hin- und Herspringen von Erkenntnistheorie zu Gesellschaftstheorie und zurück. Damit hellt er die Analogieschlüsse aber eben nicht auf, sondern vervielfältigt sie. Bemerkenswert ist der Titel seiner Arbeit: "Kritik der Herrschaft"! Ohne einen kritischen Gedanken gegen Adorno damit formuliert haben zu wollen, hat er, so scheint es, tatsächlich mit dieser Formulierung einen vorläufigen Begriff von Adornos Denken gegeben. Kritik der Herrschaft ist sie gerade darin, daß keine Bestimmung darüber folgt, welche Herrschaft denn da, kritisiert wird. Adorno kritisiert die wirkliche, soziale Herrschaft als Unterabteilung der Herrschaft überhaupt, und darunter fällt vornehmlich die 'Herrschaft' des Gedankens bei der Erkenntnis und die des Zwecks beim Handeln. Über diese 'Herrschaft' ist das Subjekt bestimmt!

Thomas Mirbach, Kritik der Herrschaft, Zum Verhältnis von Geschichtsphilosophie, Ideologiekritik und Methodenreflexion in der Gesellschaftstheorie Adornos. Ff./M./New York 1979.

57) Adorno, ND, S. 28.

58) Diese Formulierung benutzt Marx zur Charakterisierung seines 'Kapital', das natürlich "empirische" Wissenschaft ist und keine Konstruktion a priori.

Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, 14MW 23, S. 27.

59) Adorno, ND, S. 32.

60) a.a.O., S. 31.

61) a.a.O.

62) Die Gleichsetzung von Theorie und Praxis im Begriff des "Sich-Einverleibens" tut beiden, der Theorie und der Praxis, gleichermaßen Unrecht. Es behauptet, daß das geistige Sich-zueigen-Machen dem Objekt etwas wegnähme, und daß das praktische Vernichten ihm Unrecht tue. Beides ist falsch. Siehe dazu näher Fußnote 81 dieses Kapitels.

63) Die Tradition der Metaphysikkritik in der Frankfurter Schule wurde hauptsächlich von Max Horkheimer mit seinem Aufsatz 'Materialismus und Metaphysik' (in: Kritische Theorie, (Hrsg.) Alfred Schmidt, Ff./M. 1968, Bd. 1) begründet.

"Die Metaphysik erhebt das Allerallgemeinste, etwa die Elemente, welche allen Menschen aller Zeiten, aller Orte, aller Gesellschaftsschichten, ja womöglich allem Dasein eigen sind, zum Konkreten'. Sie überbietet sich im Hervorbringen immer neuer Lehren, immer neuer Entwürfe, um dies Letzte, Ursprüngliche, Konkrete zu entdecken und auf es zu verweisen."

a.a.O., S. 53.

Auch den Zweck dieser Universalien, den später Adorno im systematischen Denken selber zu entdecken meint, hat Horkheimer schon kritisch aufgedeckt. Allen Anstrengungen bisheriger Philosophie

"scheint es gemeinsam zu sein, dem menschlichen Einzelwesen den Blick in eine überpersonale Sphäre zu öffnen, die wesenhafter, sinnerfüllter, substanzieller als sein Dasein. Sie leisten dem von Hegel vorgezeichneten Begriff der Verklärung Genüge."

ders., Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophie und die Aufgaben eines Instituts für Sozialforschung; Öffentliche Antrittsvorlesung bei der Übernahme des Lehrstuhls für Sozialphilosophie und der Leitung des Instituts für Sozialforschung am 24. Januar 1931; in: Frankfurter Universitätsreden 1931, XXXVII.

64) Ein herrliches Beispiel dafür, wie gleichgültig die Richtung der Metaphysik für ihre Harmonie und Bescheidenheit stiftende Leistung ist, bietet Friedrich Tomberg, der sein Buch zur Kritik der 'Bürgerlichen Wissenschaft' mit folgendem religiösen Bekenntnis zur Materie beschließt, mit dem er beweist, daß die antimetaphysisch gemeinte Metaphysik der Natur bzw. der Objektivität die Stelle des lieben Gottes ohne weiteres auszufüllen vermag:

"Vermöge der Wissenschaft ist der menschliche Geist in die Geheimnisse dieser (der materiellen, der Verf.) Realität tief eingedrungen. Bis zu den letzten Bausteinen glaubte er schon vorgedrungen zu sein, bis zu den Atomen, den für unteilbar erklärten, bis zu den Elementarteilchen, die sich nicht teilen, aber ineinander übergehen, im Resultat taten sich jedoch ganz neue Dimensionen auf, die auf eine unendliche, noch kaum zu ahnende Mannigfaltigkeit im Innern der Natur schließen lassen. Wenn so der Staub beschaffen ist, aus dem die Menschen - nach einem geheiligten Wort - geworden sind, und zu dem sie wieder werden sollen, so brauchen sie um ihrer Endlichkeit willen mit ihrem Schicksal nicht zu hadern. Die Materie, der die Individuen nach einer gewissen Zeit ihres Lebens wieder ganz anheimfallen, ist kein toter, plumper Stoff, sie ist vielmehr die Realität selbst, die als Ganzes in ihrer Unerschöpflichkeit einen absoluten Vorrang vor allen ihren einzelnen Momenten innehat." usf. ...

Friedrich Tomberg, Bürgerliche Wissenschaft; Begriff, Geschichte, Kritik, Ff./M. 1973, S. 178.

65) Matthias Tichy widmet eine ganze Arbeit dem "Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem" bei Adorno. Allerdings versäumt er, ganz wie Adorno, die Subsumtion unter abstrakte Allgemeinheit als theoretischen Fehler zu entwickeln. Er nimmt das instrumentelle Denken als Ausdruck der Herrschaft in der Gesellschaft und macht sogar Adornos Übergang zur Kritik der Subjektivität mit: daß das Individuum Gesellschaft als sein Mittel begreift, soll auch schon praktisch das Herrschaftsmoment im Einzelwesen repräsentieren. Deutlicher als Adorno formuliert Tichy den Zirkel, der in dieser Gleichsetzung theoretischer und praktischer "abstrakter Allgemeinheit" und der Ableitung beider auseinander liegt:

"Die Antwort, die die kritische Theorie auf die Frage nach dem Allgemeinen geben kann, wird darin bestehen, daß sie einen bestimmten Begriff des Allgemeinen zur Kritik stelle, nämlich den des abstrakt Allgemeinen, und im Aufweis seiner Unwahrheit einen anderen Begriff in den Blick zu bringen versucht. Dieser Aufweis geschieht durch eine immanente Kritik des Begriffs des abstrakt Allgemeinen, die jedoch einen Anstoß von außen, die Erfahrung von Unversöhntheit von Allgemeinem und Besonderem, braucht. Daher ist mit dieser Erfahrung zu beginnen und von ihr aus der Begriff des Allgemeinen, der dieser Erfahrung zugrunde liegt, anzugeben. Daraus wird wiederum die Erfahrung, von der ausgegangen wurde, als objektiv zu erweisen sein."

Matthias Tichy, Theodor W. Adorno, Das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem in seiner Philosophie, Bonn 1977 (Diss. Univ. Freiburg/Br.)

66) Es muß darauf hingewiesen werden, daß sich solche Argumente - speziell das hier referierte - durchaus bei Adorno finden. In der Kritik der Ursprungsphilosophie ist er seiner eigenen Forderung nach immanenter Kritik am weitestgehenden gerecht geworden; allerdings zielt seine Kritik nicht auf die Fehler und ihre Beseitigung, sondern er verwendet immanente Argumente, um auf die Voraussetzungshaftigkeit dieser Philosophien zu verweisen und um ihre Ursprungsfragestellung zu radikalisieren. Siehe dazu den Abschnitt zur "Metakritik der Erkenntnistheorie".

67) Auch Adorno selbst macht da keine Ausnahme. Im Gegensatz zur "bürgerlichen Soziologie" bewertet er die Abstraktion nur negativ: Auch ihm gilt die "Gesellschaft" als System, in dem der Einzelne irgendeine Funktion für irgendein Ganzes hat, aber er verurteilt, "daß Gesellschaft auf jeden Einzelnen primär als Nichtidentisches, als 'Zwang' stößt."

Adorno, Gesellschaft, in: Gesammelte Schriften Bd. 8, Ff./M. 1972, S. 12.

Wenn Adorno auf die kapitalistische Ausbeutung zu sprechen kommt, dann nicht als das, was sie ist - Zweck der Produktionsweise sondern, im Sinn der obigen Terminologie, als Prädikat der Abstraktion: der Klassenantagonismus als eine - widersprüchliche - Form der Herstellung von Einheit und Zusammenhang, kurz von System und Vergesellschaftung unter den Menschen.

Diese logische Form hat Marx bei Hegel nachgewiesen, wo die Wirklichkeit nicht das zu bestimmende Subjekt der theoretischen Sätze bildet, sondern Hegels Abstraktionen (Substantialität etc.), die selber nur Prädikate der Wirklichkeit sein können, zum Subjekt werden, das wirkliche Subjekt aber "zum Prädikat seines Prädikats".

Siehe: Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW Bd.1, S. 215.

68) Diesen Gedanken ohne weitere Vertiefung oder in die Breite der möglichen Nützlichkeiten gehende Begründungen hat Niklas Luhmann zum Grundgedanken seiner Systemtheorie gemacht:

Gesellschaft ist die Reduktion von Komplexität! "Diese Reduktion der äußeren Weltkomplexität auf ein Format, das Erleben und Handeln ermöglicht, wird bei allen menschlichen Systembildungen durch Sinn gesteuert..."

Niklas Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, Ff./M. 1973, S. 176.

Luhmann denkt sich die vielen Handlungsmöglichkeiten, die es gäbe, wenn dem Menschen von der Gesellschaft nicht einiges ge- und verboten wäre. Da er sich den Menschen nun als bloß Reagierenden auf allerlei Zwänge vorstellt, wüßte sein Mensch, sobald er mehr dürfte, als er jetzt darf, gar nicht mehr, was er machen sollte. Er könnte sich nicht entscheiden, weil ihm die gewohnten Verbote abhanden kommen würden. So wird die Gesellschaft im nächsten Schritt des Gedankenexperiments wieder eingeführt und erscheint prompt als der deus ex machina: Sie verhindert die Abwesenheit von sich selber.

69) A. Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Berlin, Ff./M. 1969, S. 44. Dieses Standardwerk beginnt die Besprechung dessen, was Geld inmitten der modernen Markwirtschaft ist, folgendermaßen:

"Ein unmittelbarer Tausch, 'Gut gegen Gut', ein Naturaltausch, ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden." - und so fort. Das Geld löst sie!

70) Siehe dazu: Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, MEW Bd. 23, S. 102 ff.

71) Eine der wenigen Kritiken des instrumentellen Denkens in den modernen Geisteswissenschaften liegt von Karl Held in Bezug auf die Linguistik vor. Er beginnt seine Untersuchung mit einer Charakterisierung des teleologischen Arguments, das die Natur seines Gegenstands in den Nutzen für Anderes, seinen Bezug auf oder seine Funktion in irgendwelchen Zusammenhängen verlegt.

"Daß sich die Linguistik mit Kommunikation befaßt, leuchtet noch jedem unmittelbar ein: das Stichwort 'Sprache' läßt uns stets 'Mitteilung' assoziieren. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob die Sprache, als bloßes Mittel der Kommunikation betrachtet, richtig erfaßt werden kann; ob nicht die Einsichten über die Sprache allem Räsonnement über Kommunikation, in der sie als Mittel auftritt, vorauszusetzen sind. Man wird also mißtrauisch sein müssen gegenüber Theorien, die Sprache aus ihrer Verwendung als Mittel erklären wollen."

Karl Held, Kommunikationsforschung - Wissenschaft oder Ideologie. Materialien zur Kritik einer neuen Wissenschaft, München 1973, S. 8.

72) Adorno, ND, S. 28 und 29.

73) Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischem Ökonomie, a.a.O., S. 313.

74) Friedrich Engels, Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie, MEW Bd. 1, S. 515.

75) Hegel, Enz. 1, WW 8, § 205 mündl. Zusatz, S. 362.

76) Siehe dazu: "Denken ist ein Tun, Theorie eine Gestalt von Praxis." Adorno, Marginalien zu Theorie und Praxis, in: Stichworte, Kritische Modelle 2, Ff./M. 1969, S. 171.

77) Christel Beier spricht von "vagen Analogien", mit denen gesellschaftstheoretische Aussagen dazu hergenommen werden, um erkenntnistheoretische Grundsätze bezüglich "bürgerlicher Reflexionsformen" zu belegen.

Christel Beier, Zum Verhältnis von Gesellschaftstheorie und Erkenntnistheorie. Untersuchungen zum Totalitätsbegriff in der kritischen Theorie Adornos, Ff./M. 1977, S. 45. Sie weist auch auf den Zirkel hin, der bei Adorno besteht, wenn er seine erkenntnis- und ideologiekritischen Aussagen mit gesellschaftstheoretischen beweisen will; diese aber ihrerseits durch die Anwendung der Methoden, die erst aus der Erkenntnistheorie gewonnen werden, erhält. (a.a.O., S. 44 f.)

Von diesem Urteil aus kommt Beier zu dem auch hier vertretenen Schluß, daß Reflexionen auf die Erkenntnis und ihre Formen lediglich erklärenden, keinesfalls aber für die empirische Wissenschaft einen "begründungstheoretischen Status" haben dürfen, weil sonst der Zirkel unvermeidlich ist. (a.a.O., S. 65)

78) Adorno, Zur Logik der Sozialwissenschaften; in: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Neuwied/Berlin 1969, S. 129.

79) Adorno, ND, S. 189.

80) a.a.O. S. 190.

81) Zu der Behauptung Adornos, das Denken und Handeln tue den Objekten Gewalt an, sei schon an dieser Stelle folgendes angemerkt. Im Denken kann keinem Objekt, was es auch sei, irgend Gewalt getan werden. Metaphorisch mag zur Bezeichnung falscher Schlüsse schon einmal gesagt werden, das sei ein 'gewaltsamer' Schluß, aber das darf nicht buchstäblich verstanden werden. Das Denken, sei es richtig oder falsch, ist ein rein theoretischer Bezug auf die Sache, die davon überhaupt nicht berührt wird. Erkannt zu werden tut keinem Objekt weh - und sei es der Mensch. Auch falsche Erkenntnis ist keine Vergewaltigung des Objekts, denn sie resultiert lediglich im Nichtwissen der Bestimmungen der Sache. Praktisch folgt daraus nicht Herrschaft Ober das Objekt, sondern das Gegenteil; seiner unerkannten Eigengesetzlichkeit muß sich das unwissende Subjekt unterwerfen. Nur richtige Erkenntnis führt zur praktischen Herrschaft über die Sache. Aber auch hier ist die Rede von der Gewalt, die der beherrschten Sache angetan würde, irreführend. Zur Gewalt gehört nämlich immer ein Wille, der gebrochen wird; ein Stück Eisen zum Amboß und nicht zum Huf zu machen, tut ihm nichts an, denn diese Formen sind ihm, das keinen eigenen Zweck verfolgt, gleichermaßen gleichgültig. Gewalt hat nur Sinn im Verkehr mit Menschen. Die im Umkreis der Frankfurter Philosophie in der Studentenbewegung aufgekommene Formulierung der "Gewalt gegen Sachen" ist ein Widerspruch in sich - und bekommt nur durch das Recht auf Eigentum, dadurch, daß bestimmte Menschen "ihren Willen ausschließend in diese Sachen legen", einen rationellen Sinn.

82) Dies ist eine andere Ausdrucksform des Widerspruchs bei Adorno, der das Denken einmal als objektiv und einmal als Ideologie nimmt. Einerseits "scheint" in den "Formalismen der Wissenschaft" die Praxis "blaß wider", andererseits macht sich Adorno - und zwar zurecht - über die Widerspiegelungstheorie der Leninschüler lustig:

"Der Gedanke ist kein Abbild der Sache - dazu macht ihn einzig materialistische Mythologie Epikurischen Stils, die erfindet, die Materie sende Bildchen aus - sondern geht auf die Sache selbst." "Erkenntnis besitzt nicht, wie die Staatspolizei, ein Album ihrer Gegenstände."

ND, S. 203, 204.

83) siehe: Hegel, Gesch. d. Phil., Bd. III, a.a.O. S. 483. Abstraktionen lassen sich sehr wohl gegen bestimmte Gegenstände und Subjekte geltend machen, man denke nur an Beispiele, wo Menschen einer Funktion unterworfen werden (Soldaten, Schichtarbeiter etc.) Freilich kann man nicht die Wirklichkeit in einem universellen Sinn zur Abstraktion machen - einen universellen Sinn aber setzte jede Erkenntnistheorie voraus, weil diese ja Aussagen über das Verhältnis des Denkens zum Objekt noch vor jeder besonderen Bestimmung des einen oder anderen Objekts macht.

84) Adorno, ND, S. 147.

85) a.a.O., S. 32.

86) a.a.O., S. 178

87) ders., Zur Metakritik der Erkenntnistheorie, Ff./M. 1972 (im folgenden: Metakritik), S. 50.

88) ders., ND, S. 355.

89) a.a.O., S. 55.

90) Siehe: Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, ed. Hoffmeister, Hamburg 1955 (im folgenden RPH), S. 14. Mit dem Widerspruch gegen diesen Satz konfrontiert, gab Hegel in der Einleitung zur Enzyklopädie der Wissenschaften eine Erläuterung der mißverstandenen Bestimmung der Wirklichkeit:

"- das Zufällige ist eine Existenz, die keinen größeren Wert als die eines Möglichen hat, die so gut nicht sein kann, als sie ist. Wenn ich aber von Wirklichkeit gesprochen habe, so wäre von selbst daran zu denken, in welchem Sinne ich diesen Ausdruck gebrauche, da ich in einer ausführlichen Logik auch die Wirklichkeit abgehandelt und sie nicht nur sogleich von dem Zufälligen, was doch auch Existenz hat, sondern näher von Dasein, Existenz und anderen Bestimmungen genau unterschieden habe."

ders., Enz. 1, § 6 Zusatz, S. 48.

In der 'kleinen Logik' dazu: "Die entwickelte Wirklichkeit ist die Notwendigkeit."

a.a.O., § 147, S. 288.

Mit dieser Bestimmung hat Hegel die Beurteilung existierender Verhältnisse aus der Zufälligkeit des frommen Wünschens und des "bloßen Sollens", auf das die Welt ja bekanntlich nicht gewartet hat, herausgehoben. Er hat der Vernünftigkeit der Dinge - ein an und für sich irreführender Ausdruck für das positive praktische Urteil - ein Maß genannt, nämlich die Notwendigkeit einer Sache. Etwas, das notwendig ist, ist von vornherein jeder Kritik enthoben.

Was die Naturwissenschaft anbelangt, so vermag sie zwar nie die Notwendigkeit der Naturgesetze nachzuweisen - das will sie auch gar nicht; sie ist nämlich Naturwissenschaft und nicht Philosophie - aber sie weist die Naturerscheinung als notwendig aus Gesetzen nach, und zurecht kommt niemand auf die Idee, eine Naturkritik vorzutragen. Das wäre absurd.

So kommt das Kriterium eigentlich erst so recht in gesellschaftlichen Angelegenheiten zur Geltung; und gerade hier hat es sein Recht: Marx hatte an Ricardo gelobt, daß er die bürgerliche Produktionsweise als die notwendige Organisationsform des Fortschritts der Produktivkräfte darzustellen versuchte, und ihm diese Behauptung bestritten. Nimmt man Hegels Bestimmung der Notwendigkeit ernst, dann ist sie überhaupt höchst restriktiv:

Nur diejenigen Existenzen sind notwendig und damit "vernünftig", die "an und für sich sind", d.h. die einen selbstbewußten Zweck verfolgen. Existenzen dagegen, die nicht an und für sich sind, müßten nicht so sein, wie sie nun einmal sind, und haben weder die Strebung noch die Macht, ihre zufällige Beschaffenheit gegen irgendwelche verändernde Anstöße von außen festzuhalten. Wendete man allein diese Bestimmung auf die bürgerliche Gesellschaft an, so charakterisierte diese sich als 'zufällige Existenz'; und zwar deswegen, weil sie keine selbstbewußte Zweckmäßigkeit verkörpert, sondern ihren objektiven Zweck jenseits des Willens der wirklichen Subjekte und durch diese hindurch verwirklicht. Engels bemerkte dazu:

"Und doch liegt auf der Hand, daß dies Gesetz (des Gleichgewichts am Markt) ein reines Naturgesetz, kein Gesetz des Geistes ist. Ein Gesetz, das die Revolution erzeugt ... Es ist eben ein Naturgesetz, das auf der Bewußtlosigkeit der Beteiligten beruht."

Friedrich Engels, Umrisse einer Kritik der Nationalökonomie, MEW Bd. 1, S. 514.

Aber auch Hegel selbst vertritt diese Auffassung letztlich, wenn er in der Weltgeschichte immer wieder ein Walten der "List der Vernunft" entdeckt. Damit sagt er nämlich selbst, daß "die Vernunft" das Subjekt einer historischen Bewegung ist, von der die wirklichen Subjekte den Zweck weder wissen noch wollen.

Mehr aber noch: Existenzen, die einen Widerspruch, praktisch einen Antagonismus inkorporiert haben, sind nach Hegel nicht nur nicht wirklich, sondern noch nicht einmal möglich! Praktisch heißt das, sie können aus sich heraus nicht bestehen.

Dagegen muß freilich schon gesagt werden, daß derlei Verhältnisse, mögen sie auch nicht aus sich heraus Bestand haben, durch die äußerliche Stütze der Macht gewissermaßen schon eine "Art" Wirklichkeit - und zwar eine ganz schön dauerhafte - erhalten haben.

Schließlich braucht nicht weiter erwähnt zu werden, daß die Richtigkeit von Hegels Kriterium praktischer "Vernünftigkeit" daran nicht Schaden nimmt, daß er in der Rechtsphilosophie, der er die Bemerkung über die Identität von Vernunft und Wirklichkeit vorausschickte, die bürgerliche Gesellschaft mit falschen Argumenten für notwendig erklärte. Man denke nur an die Ableitung des Privateigentums aus dem Willen oder an die des Monarchen aus der Einzelheit des Staates.

Zur Kritik dieser Ableitungen siehe: Marx, Das Kapital, Bd. III, MEW 25, S. 628 f. Fußnote; sowie ders.: Zur Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW 1, S. 225 und passim.

91) Meine Darstellung der Verhältnisse der Leistungen der Theorie und der davon unterschiedenen praktischen Beurteilung dürfte vom Standpunkt Adornos wie auch der Tradition der Frankfurter Positivismuskritik als positivistisch erscheinen; ganz so wie auch meine Einwände gegen die Erkenntnistheorie.

"Gerade der Anspruch der Frische und theoretischen Unvoreingenommenheit, das Feldgeschrei 'Zu den Sachen', stammt von einer erkenntnistheoretischen Norm her: der positivistischen, die Denken aufs gleichsam technische Verfahren der Abkürzung einschränkt und die Substanz der Erkenntnis einzig dem zuschreibt, was ohne die Zutat des Denkens da sein soll..

Adorno, Metakritik, S. 131.

Adorno setzt sich hier explizit gegen theoretische Objektivität und tut damit zugleich dem Positivismus zu große Ehre an, daß er ihm diese zubilligt. Zugleich gibt er zu erkennen, daß ihm das Positivistische am Positivismus durchaus unbekannt ist. Dies besteht nämlich weder in einer vom Positivismus gar nicht erfüllten wissenschaftlichen Objektivität, noch darin, daß er die praktische Bewertung der Resultate der Forschung auch dem praktischen Interesse überließe, sondern darin, daß er keine Theorie als Urteil über die Wirklichkeit zu nehmen bereit ist, sondern alle Theorien als bloße Meinungen behandelt, die, statt objektiv zu sein, sich den Interessen der besonderen Forscher verdanken und somit eines nie leisten dürfen: eine Kritik dessen, was es gibt. Darin besteht "positives Denken".

92) Adorno nimmt auch umgekehrt jede Theorie, die praktisch verwerfliche Zwecke einer Sache ans Licht bringt, als nicht einfach objektive Erforschung der Sache, sondern als Ausdruck, nicht einer legitimatorischen, sondern einer kritischen Ha1tung. Diese Herabsetzung einer Theorie, die objektiv und unabhängig von der Haltung Kritikwürdiges analysiert, ist in Frankfurt Tradition. Horkheimer hatte schon 1933 Marx' Kapital als Ausdruck eines Interesses an einer "einheitlichen Epoche" gedeutet:

"Die Konzeption des Prozesses zwischen Gesellschaft und Natur, die hier schon mitspielt, die Idee einer einheitlichen Epoche der Gesellschaft, ihrer Selbsterhaltung usf. entspringen bereits einer gründlichen vom Interesse an der Zukunft geleiteten Analyse des geschichtlichen Verlaufs."

Max Horkheimer, Traditionelle und Kritische Theorie, in: Alfred Schmidt (Hrsg.), Kritische Theorie, Bd. 2, S. 174. Bei Marx, auf dessen Einverständnis Horkheimer sich hier beruft, hätte er nur Ablehnung geerntet. Dieser hatte nämlich immer wieder betont, daß sich seine politische Parteinahme für das Proletariat seiner Einsicht in die Gesellschaft verdanke, nicht umgekehrt die Gesellschaftstheorie seiner Liebe zur arbeitenden Klasse. Im "Nachwort zur zweiten Auflage" vom "Kapital" Bd. 1 gibt er an, daß der Nutzen seiner Theorie für die Arbeiterklasse sich der Einsicht in die kapitalistische Gesellschaft und den "historischen Beruf" des Proletariats verdanke, nicht aber der "historische Beruf" dem frommen Wunsch, etwas für die Armen zu tun.

"Soweit solche Kritik überhaupt eine Klasse vertritt, kann sie nur die Klasse vertreten, deren geschichtlicher Beruf die Umwälzung der kapitalistischen Produktionsweise und schließlich die Abschaffung aller Klassen ist."

Marx, Das Kapital, Bd. 1, MEW 23, S. 22.

Die deutlichste Ablehnung für diese Art moralischen Lobs hätte sich der Standpunkt der Frankfurter Philosophie von Engels geholt, der in einem Brief an Lafargue klarstellte, daß man Marx nicht richtig verstanden hatte, wenn man meinte, ihn wegen seiner hohen Einstellung loben zu müssen.

"Marx würde gegen das politische Ideal protestieren, das Sie ihm unterstellen. Wenn schon von einem Mann der Wissenschaft, der ökonomischen Wissenschaft, die Rede ist, so darf man keine Ideale haben, man erarbeitet wissenschaftliche Ergebnisse, und wenn man darüber hinaus noch ein Mann der Partei ist, so kämpft man dafür, sie in die Praxis umzusetzen. Wenn man aber ein Ideal hat, kann man kein Mann der Wissenschaft sein, denn man hat eine vorgefaßte Meinung.'

Engels, Brief an Lafargue, in: MEW 36, S. 198.

93) Der eher kantianisch argumentierende Wulff Rehfus merkt von dieser Position aus viele immanente Unstimmigkeiten bei Adorno. Er weist richtig darauf hin, daß die Gleichsetzung von Erkenntnis und Legitimation falsch ist und konsequent zum Ende der Theorie führen muß.

"Adorno geht noch einen Schritt weiter. Diese begriffliche Subsumtion habe ihre Auswirkung auf die gesellschaftliche Wirklichkeit. Was im Begriff als identisch behauptet würde, könne in der Wirklichkeit nicht mehr als Widersprüchliches anerkannt werden. Denn der Begriff behaupte ja die Identität. Die im Begriff vollzogene Identität verhalte sich affirmativ gegen die Wirklichkeit. Dies ist Adornos Angriff auf den Idealismus: Synthesis wird mit Identität gleichgesetzt und Identität des Denkens mit Affirmation der gesellschaftlichen Wirklichkeit."

Wulff Rehfus, Die Rekonstruktion der Wahrheit aus der Ästhetik, Diss. an der Phil. Fak. der Univ. Köln 1976, S. 24.

Adorno meine, die Vermeidung dieser Hypostasierung der Begriffe zu Rechtfertigungen "nur darin erblicken zu können, daß das Denken seine Einheitsstiftung des Nichtidentischen aufgibt und sich der chaotischen Disparatheit der Mannigfaltigkeit der Anschauung anpaßt. Damit aber ist Erkenntnis überhaupt nicht mehr möglich. Adorno jedoch meint, nur so der Affirmation entgehen zu können." a.a.O., S. 40.

94) Adorno, ND, S. 160.

95) Adorno, Philosophie und Lehrer, in: Eingriffe. Neun kritische Modelle, Ff./M. 1963, S. 40.

96) Dieses universelle A priori der Kritik ist von vielen, auch "konservativen" Autoren als die Fortsetzung der "Philosophie des Ersten", die Adorno gerade einer Kritik unterziehen wollte, erkannt worden. Manfred Riedel sieht hier eine negative Ontologie, ebenso Günter Rohrmoser, Karl-Heinrich Birzele die Fortführung des Mythos, den die Aufklärung überwinden wollte.

Manfred Riedel schreibt in einer Rezension von Herbert Marcuses "Der eindimensionale Mensch":

"Die Rede von der Eindimensionalität des Menschen hat einen a priori kritischen Sinn - sie schließt die Anerkennung einer alternativen Dimension ein. Allerdings beginnt hier auch die Problematik von Marcuses soziologischer Analyse. Selbst wenn man mit ihren kritischen Tendenzen weitgehend übereinstimmt, wird man zugeben müssen, daß diese Anerkennung nicht aus ihnen selber folgt, sondern im Grunde ontologisch motiviert ist. Anstatt die gesellschaftliche Realität in ihre Bestandteile aufzulösen, wirft diese Kritische Theorie ihr den Schleier einer negativen Identität über, der die Kritik an das Bestehende bannt, über das sie sich beständig hinaus wähnt."

Manfred Riedel, Der Denker Herbert Marcuse, Teil II. Die Philosophie der Weigerung, in: Merkur, Köln 1967, Jahrgang XXI, Heft 236, Seite 1084.

Rohrmoser erinnert daran, daß einer Theorie totaler Negativität der Bezugspunkt fehlt, die Negativität daher reine Setzung ist.

"... eine Theorie totaler Negativität kann auch nicht die Vernunft als Grund ihrer eigenen Ermöglichung für sich in Anspruch nehmen. Denn die Vernunft selber unterliegt ja dem Bann, den es zu brechen gilt. Also kann die Vernunft nicht das sein, was den Bann zu brechen vermag... Die Theorie der negativen Dialektik verdankt sich sogar der Destruktion der Vernunft."

Günter Rohrmoser, Das Elend der kritischen Theorie, Freiburg i.Br. 1970, S. 24.

Siehe auch: Karl-Heinrich Birzele, Mythos und Aufklärung, Adornos Philosophie, gelesen als Mythos - Versuch einer kritischen Rekonstruktion, Diss. an dem Phil. FB III der Univ. Würzburg 1977; zu diesem Thema besonders die Seiten 147-156.

Diese Kritiken treffen Adorno, auch wenn man den schon in der Einleitung erwähnten Verdacht nicht loswird, daß sich diese Autoren an der ontologischen, mythischen, a priorischen Kritik vor allem deshalb stoßen, weil sie radikale Kritik - und nicht so sehr, weil sie so gar keine Kritik - ist: "Mit diesem Begriff gesteht die Kritische Theorie ihre Unfähigkeit ein, die befreienden Tendenzen innerha1b der bestehenden Gesellschaft aufzuweisen." (Riedel, a.a.O., S. 1086); "Den Horizont einer Vermittlung sieht die Adornosche Theorie also verstellt." (Rohrmoser, a.a.O., S. 29).

Diese Sätze lesen sich fast wie der Aufruf: Irgend etwas mußt du auch einmal gut finden! Es geht aber gar nicht um das Recht zur Kritik das man sich dadurch erwerben könnte, daß man für irgend etwas, das es schon gibt, Partei ergreift, sondern um die Kraft der Kritik, die im bestimmten Argument liegt. Eine universelle Kritik dagegen ist die Haltung eines Denkens, das nur sich von allen fernhält und damit in nichts mehr eindringt.

97) Adorno, Vorlesung zur Einleitung in die Erkenntnistheorie, gehalten im Wintersemester 1957/58, Junius-Drucke, Ff./M., S. 9 (im folgenden: ErkTh).

98) a.a.O., S. 8.

99) a.a.O., S. 177.

100) Adorno, Philosophische Terminologie, Bd. 1, Ff./M. 1973 (im folgenden: PhilTerm), S. 89.

101) ders., ErkTh, S. 188.

102) ders., PhilTerm, S. 89.

103) Adorno wendet Hegels Argument von den Grenzen, über die man schon hinaus sein müsse, wenn man sie als Schranke, als Hindernis wisse, in der schon von Habermas hier referierten Manier. Er nimmt es nicht als immanente Kritik der Grenzziehung, sondern sucht Voraussetzungen:

"Im Sinn der kritischen Erwägung, die ich soeben durchgeführt habe, liegt es, daß Sie eigentlich bereits auf dem Standpunkt jener unendlichen, also über die Endlichkeit der Beziehung auf ein Objekt hinausgehenden Vernunft stehen müssen, wenn Sie so etwas wie die Grenzbestimmung der Vernunft eigentlich geben wollen. Diese Annahme (!) ist es dann, die Hegel dazu..."

ErkTh, S. 210.

104) a.a.O., S. 177/178.

105) a.a.O., S. 180/181 f.

Es fällt auf, daß Adorno hier über die Leere und Tautologie der Erkenntnistheorie - zurecht - spricht, dies aber in eben der Weise, in der er materiale Wissenschaft, "den Begriff" etc. auch kritisiert. Dies verweist darauf, daß Adorno materiale Wissenschaft von vornherein als Erkenntnistheorie, bzw. als das letzte Glied der Ab1eitung der Erkenntnis aus dem Subjekt auffaßt und zwischen der materialen Theorie und der Metatheorie nicht unterscheidet. Er meint wirklich, daß die Geltung eines inhaltlichen Satzes von der erkenntnistheoretischen Metareflexion jenseits aller praktizierten Wissenschaft abhinge. Siehe dazu den Abschnitt 'Zusammenfassung' dieses Kapitels.

106) Adorno, ErkTh, S. 212.

107) Wulff Rehfus bemerkt von seinem kantianischen Standpunkt aus, daß die Auflösung der Einheit des Ich die Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis untergräbt:

"Damit aber ein Individuum seinen eigenen Zerfall als Erkenntnis für sich realisieren kann, muß notwendig das vorausgesetzt werden, was in diesem Prozeß zerstört wird: eine Subjektivität, die sich kontinuierlich durchhält. Um die Erkenntnis des Zerfalls machen zu können, darf eben genau dieser Zerfall nicht statt haben... Dennoch gibt Adorno vor, ohne es ausweisen zu können, daß das zerfallende Subjekt die Erfahrung seiner eigenen Zerstörung machen könne."

Wulff Rehfus, a.a.O., S. 28.

108) Adorno, Metakritik, S. 13S.

109) Daß Adornos Denken durchaus unter die Logik der Skepsis fällt, die Hegel im 'unglücklichen Bewußtsein' in der Phänomenologie des Geistes dargestellt hatte, betont auch Wulff Rehfus, a.a.O., S. 64-68; s. a. Hans Heinz Holz, Mephistophelische Philosophie, in: W.F. Schoeller, Die neue Linke nach Adorno, München 1969, S. 188.

110) Die rationelle Behandlung des 'Konstitutionsproblems', in der dessen Beantwortung nicht erst die Bedingung der Möglichkeit von Wissenschaft zu stiften hätte, die also wissenschaftlich zu untersuchen hätte, wie etwas Gegenstand für mein Bewußtsein wird, gehört in die "rationelle Psychologie", die Hegel im 'subjektiven Geist' abgehandelt hatte. Hier wäre der Gang über Empfindung, Wahrnehmung, Anschauung, Erfahrung bis zum Denken über den Mangel der jeweiligen Stufen zu entwickeln.

111) Adorno, Metakritik, S. 14/15 f.

112) "Das Erste muß der Ursprungsphilosophie immer abstrakter werden; je abstrakter es aber wird, desto weniger erklärt es mehr, desto weniger taugt es zur Begründung. Bei vollkommener Konsequenz nähert das Erste unmittelbar dem analytischen Urteil sich an, in das es die Welt verwandeln will, der Tautologie, und sagt am Ende überhaupt nichts mehr."

a.a.O., S. 22.

113) a.a.O., S. 134.

114) entfällt.

115) Jürgen Habermas, Erkenntnis und Interesse, a.a.O., S. 59.